Etwas retro ist sie ja, die Krawatte. Dennoch findet sie auch unter Teenagern wieder Freunde. Vielleicht gerade weil sie etwas retro ist. Wenn man nicht muss, kann man unbeschwerter wollen. So entwickelt Retro Charme, neben Smartphone, Dauerinternet und digitaler Musik. Auch als Schallplatte, aber das ist eine andere Geschichte.
Hier wird von der Krawatte erzählt, genauer vom Binden der Krawatte. Wenn schon retro, dann ordentlich. Und ordentlich heißt wiederum in diesem Fall nicht fertig gebunden im Schrank. Und auch nicht als seelenlose Krawatten-Attrappe mit Gummizug um den Hals. Retro heißt: frisch gebügelt, kurz vor dem Verlassen des Hauses lässig um den Hals geworfen und souverän gebunden.
Das kann doch nicht so schwierig sein, Papa. Da schau ich einfach im Internet nach, Papa. Kein Problem. Papa wollte die Situation nur hinterfragt haben, wohlwissend, dass das Binden der Krawatte ein Zeremoniell ist. Kein Husch-Pfusch-Zusammenwursteln eines Stücks Stoff. Denn da gibt es den Einfachen, der meist etwas schief daherkommt, den Kent oder den Doppelten, mit breitem Tuch, für die brachiale Machtdemonstration. Bei der Auswahl des Knotens kommt es darauf an, 1.) welche Krawatte zu welchem Anlass getragen werden soll. Vor dem Binden sollte man auch noch wissen, dass es 2.) bei Ungeübten meist doch etwas länger dauert - manchmal auch gaaaaanz lang. Und als generelle Weisheit, dass 3.) noch kein Meister vom Himmel gefallen ist - und schon gar nicht aus der Google-Suche.
Papa verschwindet also, der Unterweisung entbunden, in der Dusche, der Sohn mit Smartphone und Krawatte im Zimmer.
Wohlig geduscht hier und mit dem unwohlen Gefühl dort, zu spät zu kommen, weil der Knoten keiner werden will, weil die Auswahl der Anleitung, ja sogar die Auswahl des Knotens eine Herausforderung ist, trifft man sich wieder. Und da fragt der Papa dann noch einmal ganz unschuldig, ob er helfen kann.
Einen Knoten später reift hier wie dort die Erkenntnis, dass Information doch nicht alles ist. Dass die richtige Auswahl von Information manchmal Vorwissen braucht. Und dass man sich leider - und manchmal auch glücklicherweise - nicht alles so eins, zwei, drei zusammengoogeln kann.


