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Plädoyer für eine Gütertrennung

Gehören Sie auch zu jenen Menschen, die ihre Einkäufe nach Hause tragen wollen?

Thomas Hofbauer


Oder reicht Ihnen das Wissen, etwas zu besitzen? Reicht Ihnen eine Zahl auf einem Kontoauszug, um sich Ihres Vermögens sicher zu sein, oder lagern Sie in Krisenzeiten Goldbarren ein?

Die Diskussion um das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA nimmt weiter Fahrt auf. Immer öfter sehen sich etablierte Parteien in der Rolle der Möchtegern-Verhinderer. Immer feiner wird die Klinge der Argumentation, denn langsam wird eines klar: Das Abkommen ist zu weit gefasst, die Vermischung von schutzwürdigen Medikamenten, Markenkleidung, Saatgut und Urheberrechten ist mehr als unglücklich, die Beschaffenheit der Güter zu verschieden.

Wenn sich jemand, sei es ein Einzelner oder ein Unternehmen, sein Hirn zermartert und dabei ein neues Produkt kreiert, hat er schutzwürdige Interessen. Allzuviel Zeit und Energie stecken in dem Neuen, Zeit und Ideen, die bezahlt werden müssen. Das ist unbestritten. Doch denken Sie an ein gefälschtes Markenpolo, gekauft auf einem türkischen Bazar. Bei diesen Kleidungsstücken hält sich das hartnäckige Gerücht, dass die Qualität mit der des Originals durchaus Schritt halten kann, bisweilen sogar besser sein soll. Worin bestehen in diesem Fall die schutzwürdigen Interessen? Im Aufbau der Marke, werden Sie sagen, im Image und den Unsummen, die dafür ausgegeben wurden. Das primäre Gut - die Kleidung - stellt nur mehr einen Bruchteil des Wertes dar.

Mit digitalen Gütern verhält es sich noch extremer. Denn die Kosten für die massenhafte Erzeugung gehen gegen Null. Digitalen Gütern fehlt die Unterscheidung zwischen Original und Kopie und die unbegrenzte Vervielfältigung ohne Qualitätsverlust eines digitalen Gutes ist möglich. Ein ökonomisches Prinzip besagt, dass alles, was massenhaft hergestellt werden kann, irgendwann einmal nahezu kostenlos sein wird. Bei Musik und Filmen haben Raubkopien diesen Prozess auf illegale Weise vorweg genommen. Die Probleme, die damit für Künstler, Produzenten und Verwerter entstanden sind, sind unüberschaubar, die Lösungsansätze genau so vielfältig wie unbefriedigend. Das reicht von der Feststellung, Künstler mögen sich doch über Konzerte finanzieren, die Musik aus der Konserve sei lediglich Werbung dafür, bis hin zu einem restriktiven Digital Rights Management, das ein Kopieren so weit unmöglich macht, dass es einer quasi Enteignung der Käufer gleichkommt, weil der Verkäufer auch nach dem Kauf noch über die Verwendung bestimmen kann. Lösung dafür ist keine in Sicht.

Dreht man den Spieß um, wird die Rechtslage klarer. Mit ReDigi hat vor einigen Wochen in den USA der erste Online-Flohmarkt für gebrauchte mp3-Dateien eröffnet. Der erste Gedanke dazu: Das kann ja nur ein Scherz sein, denn wie gebraucht kann etwas sein, das keine Gebrauchsspuren haben kann und sich - weil digital - nicht abnutzt. Und: Wie kann ich etwas weiterverkaufen, von dem ich unendlich viele Duplikate herstellen kann, die sich vom "Original" nicht unterschieden. Von den Juristen gibt es dazu eine eindeutige Antwort: Dateien, egal ob Musik, Filme oder Bilder, sind nach derzeitigem Recht kein Werkstück, weil ihnen die Gegenständlichkeit fehlt. Interessanterweise können sie so (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer) zwar gekauft, aber nicht weiterverkauft werden. Das Recht begünstigt somit eindeutig den Urheber.

Was wir brauchen, um aus diesem Dilemma zu finden, ist ein neues Verständnis für das Wesen von Gütern, die digital sind und dadurch unbegrenzt vervielfältigt werden können. Güter, die nicht materiell, aber dennoch wertvoll sind. Güter, die jemand geschaffen hat und dafür auch gerecht Entlohnt werden will. Das ACTA-Abkommen will dieses Dilemma mit dem Holzhammer auflösen. Die Rechte der Urheber sollen durch den Vertrag auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden. Die Rechte der Konsumenten werden dabei mit Füßen getreten. Konsequenzen wie Netzsperren, also das Abschalten des Internetzugangs, sind bei Urheberrechtsverstößen unverhältnismäßig. Ebenso unverhältnismäßig ist aber auch das Treiben von Nutzern, die alles Mögliche und Unmögliche aus dem Internet kopieren und dabei glauben nichts Unrechtes zu tun, weil sie nichts wegnehmen, sondern kopieren.

Zum Autor
Thomas Hofbauer ist Leiter der Online-Redaktion der "Salzburger Nachrichten".

thomas.hofbauer@salzburg.com