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Wenn wir Technik verschenken

Es düdelt und blitzt. Nicht nur auf den Christkindlmärkten. Handys, Kameras, Spielkonsolen und Tablets sind als Weihnachtsgeschenke der Renner. Doch was sagen diese Geschenke über uns?

Thomas Hofbauer

Dann lieber doch eine neue Spielkonsole? Weil Kleidung von der Wunschliste gestrichen ist und Bücher, Filme und Musik nur mehr aus dem Internet heruntergeladen werden, sieht sich Max Mustermann in der Schlange vor dem Elektronikfachmarkt anstehen. Bei den anderen Schenkwilligen, die ebenfalls glauben, ein neues Handy, eine Kamera mit noch mehr Megapixel, ein größerer Fernseher oder eine Spielkonsole wären das perfekte Geschenk.

Bilder aus dem Fernsehen tauchen in seinem Kopf auf: Beim Warten auf den Verkaufsstart der neuen Playstation war es vor einigen Tagen in der Nähe von Elektronikläden zu Handgemengen gekommen. Fans hatten vor den Eingangstüren übernachtet, waren entsprechend gereizt. Scheiben wurden zerbrochen und es kam zu panikartigen Drängeleien. In Deutschland sollen sogar vier Menschen verletzt worden sein. Da haben sich Menschen in Vertretung des Christkinds geprügelt. Und dann auch noch die Hiobsbotschaft von den Internethändlern: Auch sie vertrösten ihre Kunden bei den neuesten Spielkonsolen auf einen Liefertermin weit nach den Weihnachtsfeiertagen.

Panik kommt auf bei Max Mustermann. Würde er gar mit leeren Händen am Gabentisch stehen? Bei diesen Gedanken beginnt er zu philosophieren: Warum verschenken wir überhaupt Technik? Sind diese Geschenkideen nur ein Produkt mangelnder Fantasie? Sind die Menschen, die vor den Fachmärkten Schlange stehen, Opfer der massiven Werbung vor Weihnachten? Oder ist es ganz anders und wir wollen mit diesen Geschenken gar etwas ausdrücken - aber was?

Seinem Sohn im besten Teenager-Alter könnte er mit einer der begehrten Spielkonsolen eine echte Freude machen. Die Lust am Spielen konnten die Beats aus dem Kopfhörer noch nicht ganz aus ihm herausbeuteln. Aber wäre das Geschenk nicht auch ein Versprechen, wieder mehr Zeit zu finden, um wie früher miteinander zu spielen - wenn das mit einer neuen Xbox oder Playstation überhaupt möglich ist? Und dabei gemeinsam, sozusagen im Multiplayer-Modus, das nächste Level zu meistern, im Spiel wie im Leben?

Für seine Tochter, beinahe schon erwachsen, wäre ein neues Handy das ideale Geschenk. Selbstverständlich ein Smartphone, eines von den besseren Modellen - man will sie schließlich nicht dem Spott der Freunde aussetzen. Den passenden Vertrag könnte er gleich mit abschließen, als Draufgabe. Doch wünscht er sich wie viele andere Eltern mit so einem Geschenk nicht auch, weiter eine gute Gesprächsbasis mit seinem Kind zu haben und dass die Verbindung auch in Zukunft nicht abreißt?

Und für seine Partnerin und sich könnte er eine neue Kamera besorgen, um die viel zu seltenen gemeinsamen Momente noch besser festhalten zu können. In einer noch höheren Auflösung, noch schärfer, noch intensiver und für immer digital verewigt. Zumindest bis zum nächsten Computercrash, der die in Bildern dokumentierte gemeinsame Zeit ins Vergessen schicken würde. Darum wäre auch eine neue Festplatte ein Muss - zum Sichern der gemeinsamen Erlebnisse. Doch kann die auch eine Beziehung sichern? Oder soll er sich für einen neuen 3D-Fernseher entscheiden, um ein Fenster aus dem grauen Alltag in eine spannendere und idealere Traumwelt zu haben? Noch lebensechter und realitätsnäher, auf dass die Flucht auf Knopfdruck gelinge - die Zeit ist knapp.

Smartphones, Fernseher, Spielkonsolen und Kameras sind wunderbare Geschenke. Sie verschaffen uns als Beschenkte Zugang zu unerreichbaren Orten, sie entführen in ferne Länder, lassen uns an realen und virtuellen Schicksalen teilhaben und unser eigenes Leben festhalten. Mit ihnen bleiben wir in Kontakt und tauschen uns aus.

Doch bei all diesen Möglichkeiten fehlt dem technischen Firlefanz eines - das Unmittelbare: Selbst an einen Ort reisen, Freunde treffen, miteinander reden, gemeinsam spielen und sich an schöne Momente erinnern. Durch Technik erleben wir die Welt wie mit Gummihandschuhen. Durch sie sind wir zwar bei vielem nahe dran, aber doch nicht wirklich dabei. Das Unmittelbare bleibt als nicht vermittelbar zurück. Kein Wunder, dass sich inzwischen unzählige Menschen auf die Suche nach dem Echten und Wahren gemacht haben und versuchen, sich dem digitalen Schneller-Besser-Teurer zu verweigern. Doch auch dazu gibt es bei nahezu allen elektronischen Geräten eine - zugegeben selten genannte - Funktion und damit das ultimative Kaufargument: Man kann mit ihnen das machen, wonach sich so viele nach dem Weihnachtstrubel sehnen: abschalten.