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Wer hat der Uhr den Kopf verdreht?

Apple geht unter die Uhrmacher. Ende des Jahres wird es so weit sein. Das Handgelenk muss erobert werden.

Thomas Hofbauer
Wer hat der Uhr den Kopf verdreht?
Wer hat der Uhr den Kopf verdreht?

Das war sie immer, die Zeit: digital - und unerbittlich obendrein. Auch wenn das Leben einmal langsam, dann wieder schneller abläuft, die Zeit vergeht immer gleich schnell. Sie zerhackt unsere Lebenszeit. Tag um Tag, Stunde um Stunde, bis sie durchnummeriert, gerastert und in gleiche Sekundenportionen geteilt ist. Digitalisiert. Zeit war der erste digitale Sündenfall, Jahrhunderte vor MP3, Internet und Smartphone.

Mit der Zeit kam die Uhr. Als Turmuhr, Normaluhr, Bahnhofsuhr, dann als erschwinglicher Alltagsgegenstand am Handgelenk. Heute, wo Zeit mit Luxus gleichgesetzt wird und die Welt mit Zeitanzeigen überzogen ist, ist die Armbanduhr weniger Zeitanzeiger, dafür Accessoire und Statussymbol.

Darum ist es an der Zeit, der Armbanduhr neue Funktionen einzuhauchen. Es gilt einen exklusiven und symbolträchtigen Platz am Körper neu zu besetzen. Smart wird in den nächsten Jahren der Kampf um das Handgelenk über uns hereinbrechen. Darum werden Pulsuhrträger und Rolex-Fetischisten, die mit buntem Vollplastik am Handgelenk und Uhrverweigerer schon bald vor eine neue Lebensentscheidung gestellt: Apple oder Android.

Der Kampf ums Handgelenk unter den Smartphone-Herstellern hat bereits begonnen. Samsung ist mit der Galaxy Gear vorgeprescht, Apple wird gegen Jahresende seine Ideen zeigen. Google hat mit einem neuen Betriebssystem den Countdown gestartet: Android Wear soll mit Schnittstellen für diverse Sensoren eine Vielzahl von Fitness- und Gesundheitsfunktionen möglich machen. Vor allem soll es dafür sorgen, dass auf dem Display nur relevante Informationen angezeigt werden und angeschlossene Smartphones mit Sprachbefehlen gesteuert werden können. Der Funktionsfantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sicher ist: Eine Uhr wird in Zukunft nicht mehr nur Zeitzerhacker sein, der uns das Leben in Stücke teilt. Sie wird eine Invasionsmaschine sein für das, was wir dann soziales Leben nennen. Sie wird bei jedem E-Mail, bei jeder SMS, jeder Twitter-Nachricht und jedem Facebook-Posting unserer Freunde lauthals brüllen. Sie wird uns aus Gedanken reißen und davon abhalten, Zeit auszukosten oder zu nutzen. Bei der Arbeit, beim Plausch mit Freunden, beim Entspannen mit der Familie. Unsere Uhren werden uns immer öfter sagen: "Da ist noch etwas Wichtigeres, Interessanteres oder Bedeutenderes als das, was du soeben tust." Noch direkter, als es ein Smartphone jetzt kann.

Wir werden es als Errungenschaft feiern, denn dank dieser Uhren werden wir noch weniger versäumen als bisher. Sie werden dazu führen, dass wir noch öfter aus dem Hier und Jetzt in jenen virtuellen Raum flüchten, den wir uns im Laufe unseres Lebens zusammengeklickt haben. Diese Uhren werden uns nicht mehr nur dem Diktat der Zeit unterwerfen, sondern als multimediales und interaktives Freundschaftsband auch die sozialen Handschellen anlegen.