Der freie Fall beschäftigte am vergangenen Dienstag die halbe Menschheit. Zumindest, wenn man die Auslastung des Internets am Nachmittag und Abend des besagten Tages analysiert. Da musste das Rennen um die Zugriffe gewonnen werden. Denn das Stratosphärenprojekt schlug Wellen. Etwas, das man beim Befüllen des Ballons tunlichst vermeiden wollte. Die Mannschaften in der Wüste von New Mexico kämpften gegen die Turbulenzen, die Online-Teams der Medien versuchten sie zu erzeugen. Der Kampf um die Zugriffe und die beste Platzierung in den Suchmaschinen war eröffnet. Jedes Medienhaus versuchte sich mit seinem eigenen Live-Ticker in Position zu bringen. Man analysierte akribisch, nach welchen Wortkombination die Menschen suchen. War es "Red Bull Stratos", "Stratos live" oder doch "Felix Baumgartner"? Die Analyse der eigenen Website brachte in Echtzeit das Ergebnis der Bemühungen. Hektisches Treiben in den Redaktionen - bei absoluter Informationsflaute. Jedes Knirschen des 0,02 Millimeter dünnen Ballons schaukelte sich zur Nachricht in den Live-Tickern auf. War es ein Erdbeer-Milkshake oder doch ein beflügelnder Energy-Drink, den der zum Still-in-der-Kapsel-Sitzen verdammte Felix da zu sich genommen hat? Scheitern konnte an diesem Dienstag vieles, zwischen den USA und Europa. Gescheitert sind vor allem die Server, die dem Ansturm mehrerer tausend gleichzeitiger Anfragen nicht mehr Stand hielten.
Während der Nicht-Sprung an diesem Nachmittag den Spott so manches Leserbriefschreibers und Kolumnisten beflügelte und in den Redaktionen über den Wert des Projektes für Wissenschaft und Werbewirtschaft diskutiert wurde, stellte sich den Online-Redaktionen diese Fragen in jenen Stunden nicht. Sie waren im Trubel ihrer eigenen Maschine gefangen. Die Verlockung, das Mögliche und Machbare auszureizen, war einfach zu groß. Der Kampf um die Klicks hatte sich an diesem Tag verselbständigt, war zur eigenen Disziplin geworden. Schließlich, als sich Baumgartners Ballon schon lange nicht mehr blähte, er selbst die Dose, die ihn bis an den Rand des Weltalls (wie sein Ziel vielerorts irrtümlich bezeichnet wurde) bringen sollte, längst verlassen hatte, blähte sich das Internet noch immer, suchten die elektrisierten Massen noch immer nach dem stellvertretenden Kick und fanden doch nur das, was bei so viel Blähung entsteht. Und während Felix nicht einmal aus der Kapsel springen durfte, sondern mit einem Kran herausgehievt wurde, brachte dieser Nachmittag für die Online-Redaktionen einen riesigen Erkenntnissprung. Er zeigte, was man zu tun und tunlichst zu unterlassen hat, um mit seiner Website abzuheben, ohne dass etwas passiert - im doppelten Sinn des Wortes.


