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Austrosensor

Die illustrierte Kolumne von Andrea Maria Dusl.

Andrea Maria Dusl

Sprechen wir über das Gefühl. Bei den Gefühlen kennt sich Österreich aus. Es sei "Vü zvü Gfü" (Viel zu viel Gefühl), bringt es die Grundlseer Mundart-Band Die Seer auf den Punkt: "Kimm glei, sollst di beeiln", ruft die Stimme des steirischen Herzens, "i mecht des Gfü heit mit dir teiln!" Fühlen hat also, ganz im Gegensatz zu vielen anderen inneren Österreichvorgängen, ganz viel mit Teilen, Mitteilen zu tun.

Und wie alles im Getriebe des Miteinanders ist es die Schule, die unseren Blick für das Wesentliche weitet. Ein wichtiges Instrument zur Übermittlung von Gefühlen war lange Zeit und österreichweit das Mitteilungsheft. Hier kanalisierten Lehrkräfte ihre Gefühle zu individuellen Schulkindern. Die kleinen Botschaften an die Eltern waren Liebesbriefe ohne Liebe, aber reich an anderen Gefühlen. "Herbert schwätzt und stört den Unterricht", "Renate hat wieder einmal den Atlas zu Hause vergessen", "Karl-Heinz stiehlt anderen das Pausenbrot".

Die Mitteilungshefte sind aus den Schultaschen verschwunden, an ihre Stelle sind digitale Nachfolger getreten. E-Mails, Gruppen-Chats, warnende SMS und Alarm-Nachrichten in den diversen School-Apps. Das Gefährliche ist geblieben: Die Betroffenen sind vom Dialog weitgehend ausgeschlossen. Früh entsteht so ein Gefühl für Macht und Ohnmacht. Hie die Verwalter, dort die Verwalteten. Und über und zwischen ihnen schriftliche Kommunikation. Nachrichten, Verlautbarungen, Eingeschriebenes. Gefahr. Die österreichische Seele antwortet mit Gefühlen, TikTok-Gerüchten, WhatsApp-Geraune, Twitter-Orkanen und Kommentar-Tsunamis. Vü zvü Gfü.