Eva Glawischnig als Angreiferin und Heinz-Christian Strache defensiv. Frank Stronach einen nicht reagierenden Josef Bucher beschimpfend. So begannen die ORF-Diskussionen der Spitzenkandidaten.
"Ich habe mit meiner Tochter Geografie gelernt!" Das sagte 2002 Alfred Gusenbauer, wie er sich auf die Debatte mit Wolfgang Schüssel vorbereitete. Er wollte nicht zugeben, dass er in Rollenspielen ganze Dialoge einstudiert hatte, um Anhänger der SPÖ zu begeistern.
Tatsächlich kippten rote Begleitfunktionäre vor Begeisterung im Atrium des ORF fast um, als ihr Parteichef Humphrey Bogart in "Casablanca" imitierte. Dass er weniger Attraktivität ausstrahlte und sein Gegenüber auch nicht an Ingrid Bergman erinnerte, war egal. Die mit dramatischer Gestik gebrachte Aufforderung, der ÖVP-Bundeskanzler solle ihn tief anblicken - Es hieß nicht wörtlich "Schau mir in die Augen, Kleines!", war aber nahe daran - und seine angeblich unrichtigen Vorwürfe wiederholen, galt als perfekt gelungen.
Doch ist es falsch und eine Inszenierung selbst ernannter PR-Gurus, Duelle von Politikern im Fernsehen auf Rhetorik und verbale Gags zu reduzieren. Richtig ist, dass inklusive Körpersprache und Stimmlage 90 Prozent der Wirkung nicht vom Inhalt bestimmt werden. Ohne Wissensbasis geht trotzdem gar nichts, und das ist gut so.
Kein Politiker kann Spezialist für alles sein, doch er muss als Generalist bei zentralen Themen sattelfest sein. Was man nicht im Schnellsiedekurs vor dem Kameraauftritt lernt. Es wäre dumm, einen Zahlensalat zu bringen, doch wer von der Rechtslage und aktuellen Daten als Hintergrundinformation unbefleckt ist, wird sich blamieren.
Dafür sorgt heuer der Faktencheck des ORF, seit Jahren gibt es zudem eine sich verändernde Echo-Politik als Kontrollsystem. Den durchsichtigen Jubelaussendungen eigener Parteigänger stehen vermehrt Bürgerstimmen als Resonanz gegenüber. Jörg Haider konnte in den 90er-Jahren Behauptungen als Tatsache bringen, weil sie nicht aus dem Handgelenk widerlegbar waren. Im Zeitalter neuer Medien haben sowohl alle Wähler ein Internetarchiv als auch sind Politikeraussagen in Echtzeit der Kritik ausgesetzt.
Das erhöht nicht zwangsläufig die Qualität, weil ja Blogger, Poster oder Twitterati noch öfter Unwahrheiten sagen können. Die Wahrscheinlichkeit freilich, jemand würde Fehler entdecken und das kommunizieren, steigt. Politiker sollten daher die Telegenität ihrer Argumente erst überlegen, wenn sie inhaltlich firm sind. Bei den Beratern müsste der Kameratrainer nach den Fachexperten kommen.
Dass Medienprofis mit ihren Weisheiten manchmal unrecht haben, zeigt die Wahlforschung zum Eingangsbeispiel. Ungeachtet der Euphorie sozialdemokratischer Hardcore-Fans waren Wechselwähler wenig begeistert. Sie fragten "Spricht man so mit dem Kanzler?", anstatt die Szene zu bewundern.