SN.AT / Kolumne / Filzmaier am Montag / Filzmaier am Montag

Der Proporz als Kuriosum

Der Zwang zur Zusammenarbeit in den Landesregierungen führt zu demokratischen Absonderlichkeiten.



Unter Proporzsystem versteht man die verhältnismäßige Beteiligung von Parteien an der Regierung. Historisch war das edel gedacht: Nachdem 1934 die politischen Lager aufeinander schossen, ergab es Sinn, alle Parteien mittels Regierungsverantwortung zur Zusammenarbeit zu zwingen.

Heute ergeben sich durch den Proporz eine Reihe demokratischer Absonderlichkeiten. In Kärnten etwa wird Kurt Scheuch als Nachfolger seines Bruders Uwe zum Landeshauptmann-Stellvertreter und Landesrat gewählt. Obwohl er ursprünglich Ersatzmitglied für Gerhard Dörfler war, und Franz Mandl statt Scheuch den Scheuch amtsmäßig beerben sollte.

Das größere Kuriosum ist jedoch, dass bei seiner Wahl im Landtag die Mehrheit gegen Scheuch ist. Es wird
also jemand gewählt, den eine Minderheit der Wählenden will. Der Proporz macht’s möglich: Seine FPK hat das Recht für den Wahlvorschlag. Dieser bietet als einzige Option den Namen Scheuchs. Daher können 19 zu 17 Abgeordnete gegen ihn sein, und nichts passiert. Es ist egal, ob ÖVP, SPÖ und Grüne den Raum verlassen, einen Karawankenbären nominieren oder ihre Stimmzettel in die Kloschüssel werfen. So oder so liegt Scheuch bei den gültigen Stimmen vorn. Theoretisch genügt ihm die einfache Mehrheit im FPK-Klub, das wären schlappe neun Unterstützer. Laut Landesverfassung ist das korrekt. Zur Ehrenrettung Kärntens festzuhalten ist, dass solche Absurditäten a) auch anderswo vorkommen und b) nicht nur den Freiheitlichen zur Absicherung ihrer Macht einfallen.

SPÖ und ÖVP liebten lange Zeit den Proporz, um das Risiko von Wahlniederlagen zu minimieren. Selbst bei erdrutschartigen Verlusten behält man ein paar Landesräte. Daher existieren Proporzregierungen noch bis 2015 in der Steiermark und auf unbestimmte Zeit im Burgenland, Nieder- und Oberösterreich. Beim Letztgenannten erleben wir derzeit die Groteske, dass jede Landtagspartei Regierungsmitglieder stellt. Eine Opposition im eigentlichen Sinn fehlt. Wie soll der Landtag die Landesräte kontrollieren, wenn es offenkundige Befangenheiten gibt? Bei Misstrauensanträgen gegen die Regierung würden alle in Versuchung geraten, den
eigenen Parteikumpel auszunehmen.

Gemeinsam ist den Proporzländern, dass sämtliche Parteien sich für eine Abschaffung aussprachen. Leider nie zur gleichen Zeit, sodass nichts geschah. In Salzburg und Tirol wiederum fiel der Proporz in den 90er-Jahren. Mit dem Ergebnis, dass stets SPÖ und ÖVP eine Regierung bildeten, obwohl es mehrere Koalitionsvarianten gab. Das System ist nicht leicht kleinzukriegen.