Ja, dürfen s’ denn des? So hat Kaiser Ferdinand I. angesichts der Revolution von 1848 gefragt. Der Herrscher wollte nicht wahrhaben, dass schriftlich garantierte Grundrechte und Bürgermitsprache in einem autoritären System ohne Verfassung naheliegende Forderungen des Volkes waren.
Willkommen in der Wirklichkeit! Das galt damals für die Habsburger und jetzt für jene, die sich über neue Koalitionen mokieren. Man kann das sich abzeichnende Bündnis von ÖVP, Grünen und Team Stronach in Salzburg politisch gut oder schlecht finden. Doch sich zu wundern, grenzt an die Ferdinand’sche Naivität.
Nach der Monarchie haben wir mit voller Absicht verfassungspolitisch eine Staatsorganisation geschaffen, welche komplexe Koalitionsvarianten beinhaltet. Vereinfacht sind Demokratien in Gewinner- und Verlierer-Konfliktmodelle und in durch den Ausgleich vieler Gruppen gekennzeichnete Konsensformen zu unterscheiden. Im erstgenannten Fall fördern Mehrheitswahlen Einparteienregierungen, wodurch rasche, klare und somit effiziente Entscheidungen möglich sind.
Im Zweitfall soll die Verhältniswahl Koalitionen propagieren. Diese beruhen auf dem Prinzip einer als gerecht geltenden Repräsentation mehrerer Parteien in der Regierung. Eine gewisse Schwerfälligkeit des Entscheidungsverfahrens wird in Kauf genommen. Die perfekte Lösung gibt es nicht, die Argumente für und wider Konflikt oder Konsens sind ein Nullsummenspiel.
Das Problem ist, dass Österreich sich lange den obigen Idealtypen verweigerte. Absolute Mehrheiten auf Bundesebene, letztens der SPÖ unter Bruno Kreisky von 1971 bis 1983, sowie genauso der ÖVP in vielen Ländern verschleierten über Jahrzehnte die Tatsache des konstitutionell gewollten Koalitionswillens. Danach widersprachen zahlreiche Ausschlusskriterien dem Denken der Verfassung. Realpolitisch unvereinbar sind Rot und Blau, Blau und Orange, Grün und Blau-Orange usw. Deshalb hat das rot-schwarze Proporzdenken trotz sinkender Popularität mit einer kurzen Unterbrechung Anfang der 2000er-Jahre Bestand.
Der Punkt ist, ob wir trotz heterogener Gesellschaft und fragmentierter Parteienlandschaft weiterhin am verfassungsgemäßen Koalitions- und Konsenszwang festhalten wollen. Es ist zulässig, mehr Vielfalt bei den Koalitionen mit Misstrauen zu begegnen. Schließlich könnte deren gemeinsamer Nenner anstatt des inhaltlichen Konsens pure Machtgeilheit sein.
Wer puristisch (s)einen Parteistandpunkt vertritt, darf grüne Fundis und Stronachs Jünger, echte Sozis und den großkapitalistischen Frankie-Boy, konservative Christdemokraten und linke Multikultis nicht gemeinsam in einer Regierung wollen. Dann freilich sind bald gar keine Koalitionen machbar und man muss ein radikales Umschreiben der Verfassung in Richtung Mehrheitsdemokratie nach US-Vorbild verlangen.