SN.AT / Kolumne / Filzmaier am Montag / Filzmaier am Montag

Politik und Wahlkampf als Biathlon

Inhaltliche Programmarbeit und populistische Wahlkampf-Hitze scheinen einander auszuschließen.

Es ist unglaublich, wenn Biathleten mit 180 und mehr Pulsschlägen durch die Gegend rennen und aus 50 Metern Entfernung mit Gewehrkugeln eine viereinhalb Zentimeter kleine Scheibe treffen. Normalsterbliche würden es da kaum schaffen, Tennisbälle in einen Basketballkorb zu werfen.

Was das mit Politik zu tun hat? Es bietet sich das Gleichnis an, dass Wahlkämpfer bei aller Hitze und Hetze ruhiges Blut bewahren sollten. Der schnellste Biathlet ist chancenlos, wenn sein Tempo auf Kosten der Zielgenauigkeit geht. Dasselbe gilt hoffentlich für Politiker, die hektisch um Stimmen werben und Inhalte total aus den Augen verlieren.

Die Antithese lautet, dass sehr wohl der größte Populist zum Wahlsieger wird. Im Sport muss man nach effektvollem Luftballern der 20 Kugeln in Rekordkürze durch so viele Strafrunden schnaufen, dass der letzte Platz droht. Politisch würde hingegen quasi mit Zusatzzeit bestraft, wer sich mit inhaltlichem Tiefgang aufhält.

Zwei extrem unterschiedliche Beispiele scheinen das zu belegen. Das BZÖ hat von seiner bläulichen Geburtsstunde bis zum aktuellen Überlebenskampf eine bizarre Parteigeschichte. Doch muss man Josef Bucher zugestehen, dass er relativ viel Aufwand betrieben hat, sowohl überhaupt ein Programm und Grundsatzpositionen zu skizzieren als auch etwa dem Thema EU-ropa und Außenpolitik halbwegs Platz einzuräumen.

Ex-Kollegen aus der FPÖ und des Typus eines Peter Westenthalers hätten ihm vermutlich geraten, sich nicht mit lästigen Details aufzuhalten. Schließlich beweist das Team Stronach, dass wahre, faire und transparente Schlagworte genügen, welche man - siehe Franks Steuererklärung oder den internen Streit in Tirol - gar nicht allzu genau befolgen muss. Es reicht, im Stil des legendären Helmut Qualtinger möglichst schnell weg vom Euro zu fahren, um schneller dort zu sein - ohne zu wissen, wohin.

Ähnlich dem BZÖ geht es den Neos. Als Neupartei haben sie sich bemüht, konkrete Programmvorschläge zu haben. Welche von der mittleren Reife bis zum Bundesstaat Europa nicht alle wirklich neu sind und denen keiner zustimmen muss, doch gibt es sie. Über Für und Wider kann man demokratisch diskutieren, anstatt patriarchalisch die innerparteiliche Entscheidung dem zu übertragen, der die meiste Kohle hat.

Das öffentliche Echo war bisher enden wollend. Vielleicht hätten BZÖ und Neos lieber fordern sollen, dass Parlamentssitzungen künftig nackt stattfinden. Mindestens wären alle auf die Umsetzung ihrer Idee gespannt. Weil aber Studien besagen, dass schlappe drei bis fünf Prozent Parteiprogramme als für ihre Wahlentscheidung wichtig ansehen, ist die Sache tragikomisch. Viele Bürger verlangen zu Recht mehr Themenbezug in der Politik, und beschäftigen sich trotzdem zu wenig mit den thematischen Angeboten der Parteien.