SN.AT / Kolumne / Filzmaier am Montag / Filzmaier am Montag

Die Politik schafft sich ihre Feindbilder

Ob Ausländer, Lehrer oder Luxuspensionisten: Die Abwertung des anderen stärkt den Selbstwert.

Eine Binsenweisheit der Psychologie besagt, dass es den Zusammenhalt einer Gruppe fördert, wenn sie Feinde hat. Politiker und vor allem Koalitionsverhandler sind daher laufend auf der Suche nach Feindbildern. Um nicht hausgemachte Fehler hinterfragen zu müssen, werden Sündenböcke benannt. Das erweckt den Eindruck aktiven Handelns, ohne dass man wirklich etwas ändert.

Plötzlich sind Lehrer nur noch Blockierer. Oder es wird so getan, als ob die Luxuspensionisten der Nationalbank die Pensionen der Österreicher gefährden. Und dass an den Budgetprognoselöchern und sonstigen Undichten der Regierung ein paar Wirtschaftsforscher schuld seien. Obwohl Lehrerdienstrecht & Co. wenig bis gar nichts mit den echten Herausforderungen von Bildungsreformen, alternder Gesellschaft und Finanzpolitik zu tun haben.

Doch Parteistrategen sind genauso an einer Wahlniederlage nie selbst schuld, sondern es waren diffuse Feindwirkungen der alles schlechtmachenden Mitbewerber. Vielleicht auch der ORF, die Meinungsforscher und das schöne Wetter. Unter dem Schlagwort Medienkampagne können Politiker Fernsehen und Zeitungen für alles verantwortlich machen. Nur bei Korruptionsfällen ist zusätzlich die behauptete Politjustiz der Schuldige.

Umgekehrt sind viele Bürger ebenfalls gut darin, sich an der eingebildeten Schuld von Fremden zu erfreuen. Was immer wir anstellen, Politik und Parteien als Lieblingsfeindbilder haben ihre Finger im Spiel, warum ich nichts dafürkann. Schnellfahren und Schwarzarbeit sind subjektiv keine Rechtsvergehen, sondern Widerstand gegen dumme Gesetze. Und Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.

Die Abwertung eines anderen stärkt den Selbstwert. Findet man irgendwo da draußen einen verantwortlichen Bösen, so sind private, berufliche oder gesellschaftliche Probleme gut begründet. Insofern ticken Regierung und Wähler gleich. Um die Auseinandersetzung mit eigenen Mängeln zu vermeiden, werden Schwächen des als gefährlicher Idiot gesehenen Gegenübers betont.

Bei allen Beteiligten entsteht in der Folge eine Selbstlüge, mit der jedes Fehlverhalten als vernünftig erklärt wird. Das Problem des Feindbildprinzips ist freilich, dass kein gesellschaftlicher Zusammenhalt mehr möglich ist.