Fehlen 30 oder 40 Milliarden? Benötigt die Hypo Kärnten eine Milliarde mehr oder weniger? Wo werden viele Milliarden hin- und hergeschoben, um ein Budget zustande zu bringen? Das scheint kein Politiker, Journalist oder Experte genau zu wissen.
Bevor wir uns darüber aufregen, eine böse Unterstellung: Wie viele Österreicher würden in einer Straßenbefragung überhaupt wissen, wie viele Millionen eine Milliarde ist? Mindestens neun von zehn? Vielleicht nur sechs bis sieben? Oder die Minderheit?
Jenseits dieser polemischen Frage steht außer Streit, dass große Zahlen und damit in Zusammenhang stehende politische Entscheidungen oft nicht fassbar sind. Alles über einer Million fällt allzu leicht in die Sammelkategorie "urviel". Parteien veranschaulichen daher gern, dass irgendetwas angeblich 250.000 Einfamilienhäusern, Autos und Monatseinkommen entspricht.
Solche Wahlkampfgags sind simple Preistricks. Der Schwelleneffekt etwa bewirkt, dass eine Sache um 99 Euro relativ günstig erscheint. Dasselbe Ding für 100 Euro klingt teuer. Hingegen kann man statt 109 Euro unbesorgt 129 verlangen, weil das in der Wahrnehmung wenig Unterschied macht. Gibt es billige Lockangebote, glauben die Kunden, der Laden wäre empfehlenswert. Obwohl die meisten Waren überteuert sind. Das gleicht Pseudoreformen, die als Schlagwort Emotionen befriedigen und in Summe nichts bringen.
Vergleichen wir Preise, suchen wir nach Referenzen. Politiker und Verkäufer liefern solche gleich mit, nämlich als fiktiven Konkurrenzpreis in schwindelerregender Höhe ("Mondpreise"). Beim Ankerphänomen gilt: Mehr Steuern und weniger Sozialleistungen sind gefühlsmäßig zu verkraften, wenn es irgendwo in der Welt schlimmer ist.
Steuersenkungen wirken psychologisch in mehreren kleinen Schritten positiver als in einem großen. Erhöhungen von Abgaben werden meist in einem Schritt vollzogen, um weniger aufzufallen. Kleine Geschenke machen zudem Spitzenpreise erträglicher, weil der gelackmeierte Konsument einen Minitriumph erzielt. Er bekommt ein fast wertloses XY gratis dazu.
Das Problem ist nicht, dass die Regierung bei den Ausgaben sparen muss und mehr Einnahmen vulgo Steuern braucht. Darüber ehrlich zu sprechen ist seriös und verantwortungsvoll. Nur erleben wir stattdessen eine Mischung aus Geheimniskrämerei und Schätzungen im Voodoo-Stil.
Zahlenmäßige Denkreflexe gleichen dabei instinktiven Verhaltensweisen. Nicht jeder ist Psychologe, um dem sicher zu entkommen. Doch klappen die obigen Mechanismen allzu wunderbar, weil die Wirtschaftsbildung grottenschlecht ist. Damit dem Missbrauch der Zahlen durch Politiker nicht Tür und Tor geöffnet ist, sollten selbige ein schulisches Pflichtfach "Demokratie lernen und Wirtschaft verstehen" in ihr (Regierungs-)Programm schreiben.