Es passt zum Nationalfeiertag, obwohl die Sache nichts mit der Neutralität zu tun hat. Doch die Österreicher sind friedfertig, höflich und stolz. Fleißig, gastfreundlich und hilfsbereit bieten sich ebenfalls als Adjektive an. Jedenfalls sehen 70 bis 90 Prozent von uns die Unsrigen so. Das steht in einer IGF-Umfrage für die "Salzburger Nachrichten" und klingt gesellschaftlich vielversprechend.
Weil stolz und gebildet sowie lustig und musikalisch als mehrheitliche Attribute der "Ich über mich!"-Beschreibung hinzukommen, dürften wir von Politik bis Kultur keine nennenswerten Probleme haben. In solchen Befragungen wissen acht Millionen Kleinstaatler über die hiesige Wunderbarkeit Bescheid. Der Rest der Weltbevölkerung von über sieben Milliarden will das dummerweise nicht und nicht einsehen.
Trotzdem bin ich genauso toll. Gemeint ist nicht das Ego als Kolumnist. Doch bei den Positiva sind die Österreicher überzeugt, als Einzelperson gleichermaßen so zu gelten. Jeder meint, ein emsig Helfender voller Sanftheit und mit perfekten Manieren zu sein.
Gewaltige Unterschiede gibt es bei den unguten Dingen. Dass 90 Prozent behaupten, treu zu sein, und weniger als 60 Prozent dasselbe ihren Landsleuten zuschreiben, verleitet zum Schmunzeln. Neun von zehn Österreichern bezeichnen sich als aufgeschlossen und trauen das den anderen eher nicht zu. Was die obigen Beziehungsausbrüche erschwert. Vor allem aber macht es unser Land hinsichtlich Toleranz & Co. gegenüber Menschen anderer Herkunft oder Religion nicht gerade zur Insel der Seligen. Mehr als jeder Zweite wird als ausländerfeindlich gesehen, von sich selbst behauptet das kaum ein Sechstel.
Das Problem ist nicht das rot-weiß-rote Sein an sich, sondern die Gespaltenheit beim Fremd- und Selbstbild. Das Dilemma betrifft neben Staaten viele Gemeinschaften. Für Familien werden psychologische Beratungen angeboten. Lehrer analysieren ihre Schüler und sich, um Gruppendynamiken in den Griff zu kriegen. Unternehmen schulen Führungskräfte entsprechend. In der Politik fehlen professionelle Herangehensweisen, sondern wird populistisch mit der Verliebtheit der Österreicher vulgo Wähler in Beschönigungen des eigenen Charakters gespielt.