Politik ist eine imagemäßig ruinierte Branche, und der Vertrauensgrad in Politiker der meisten etablierten Parteien nähert sich dem Nullpunkt. Ihnen wird die Lösungskompetenz einer geistigen Nacktschnecke zugeschrieben, die noch dazu korrupt sei und für ein Haus auf dem Parteirücken die Großmutter verkaufen würde.
Das ist als Pauschalurteil ungerecht, gibt jedoch Neuparteien große Chancen. So weit, so gut. Die Erweiterung des Parteienspektrums ist ein demokratiepolitisch logischer und wertvoller Prozess. Nur leider sind dafür halbwegs konkrete Partei- oder Wahlprogramme mit klug begründeten Positionen von der Bildungs- bis zur Gesundheitspolitik, die entsprechende Themenkompetenz und ein politischer Qualifikationsnachweis kaum notwendig.
Es gilt geradezu als charmant, wenn man im Stil der Piraten solche Eigenschaften selbst abstreitet oder in der "Wer das Geld hat, macht die Regeln"-Manier Frank Stronachs diktatorisch nur die eigene Meinung gelten lässt. Inhaltsleere dominiert und die Medien sind mitschuldig, weil sie trotzdem nach Neuem lechzen.
Bisher hat beispielsweise niemand gefragt, wie sich Stronach, Piraten & Co. im Zeitalter einer alternden Gesellschaft die Organisation von gesundheitlicher Vorsorge, Pflege und Krankenhäusern vorstellen. Obwohl das ein Top-Zukunftsthema ist. Nicht einmal die aufgrund der Alterung dringlichen Pläne neuer Parteien zur Neuordnung des Pensionssystems scheinen interessant, obwohl da rote, schwarze, blaue, orange und auch grüne Politiker herumeiern.
Dadurch bleiben die demokratischen Vorteile des Entstehens neuer Parteien ungenutzt: Wer mit der Arbeit der Regierungsparteien zufrieden ist, gibt ihnen seine Stimme. Unzufriedene halten Konzepte der Opposition für besser und wählen entsprechend. Werden da und dort Vorhaben schlecht argumentiert, suchen wir nach einer noch nicht im Parlament vertretenen Partei, die schlauere Inhalte vorzuweisen hat.
Nicht im Demokratiesinn hingegen ist, dass es genügt, als Sammelsurium bizarrer Gestalten von der Politikverdrossenheit zu profitieren. Zwar waren nie Programme im Originaltext das entscheidende Wahlmotiv, sondern es geht um Personalisierung und kommunikative Marken. Doch nennen zwei Drittel der Wähler themenbezogene Prioritäten, was in der Politik wichtig ist.
Themen werden sowohl von Politikern als auch Wählern grob vereinfacht und oft populistisch diskutiert, aber immerhin. Dafür haben wir das Regulativ der öffentlichen und veröffentlichten Meinung, dass allzu absurde Thematisierungen von Parteien sich trotz Stimmengewinnen irgendwann disqualifizieren. Neuparteien könnten uns daran erinnern, und so eine Bereicherung darstellen. Undemokratisch ist es hingegen, wenn sie allein aufgrund eines skurrilen Andersseins medial spannend sind.