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In der Wahlzelle regiert der Eigennutz

Wahlversprechen gehören zur Politik wie das Salz in die Suppe. So sehr wir uns in Hochwasserzeiten als Hilfeleister gebärden, so wenig denken wir in der Wahlzelle an das Gemeinwohl.

Es ist Wahlkampf. ÖVP und BZÖ versprechen Gebührensenkungen. Die FPÖ tut das sowieso. SPÖ und Grüne trommeln, dass Arbeitnehmer weniger Steuern zahlen sollen. Zugleich wissen alle Beteiligten, dass das Staatsbudget jeden Cent bräuchte. Warum also das Ganze?

Der "rational choice"-Ansatz geht davon aus, dass Wähler ihre Parteientscheidung nach dem größtmöglichen Eigennutz treffen. Der Wahlkampf wird ähnlich dem wirtschaftlichen Wettbewerb verstanden. Gemäß dem US-Ökonomen Anthony Downs sind wir als Wähler Konsumenten.

Beim Einkaufen zahlt keiner für Dinge, die er nicht braucht. Oder vielleicht doch. Dementsprechend können manche Wähler populistisch grölen, der Nullnutzen gelte für alle Parteien. Doch bei schlaueren Nachdenkern ist ihre Wahl der Vollzug der persönlichen Antwort auf die Frage "Welche Partei nützt mir mit ihrer Politik am meisten?".

Ältere Menschen im Ruhestand oder knapp vor der Rente präferieren nicht allein aus Tradition die Regierungsparteien. Diese versprechen am lautstärksten Pensionsgarantien, die Nichtsenkung der Pensionen und niedriges Pensionsantrittsalter. Klar, wer wählt eine Partei, um länger zu hackeln und dafür weniger Geld zu kriegen?

Umgekehrt müssten es Studierende jenseits von Umwelt und Anti-Korruption toll finden, wenn die Grünen Studiengebühren verbieten und Uni-Ausgaben vervielfachen wollen. Davon profitiert man bereits rechnerisch und in Euros messbar. Gläubige, dass ein Rausschmeißen vieler Ausländer den eigenen Job rettet, machen folgerichtig ein Kreuz bei der FPÖ. Nicht wegen rassistischer Einstellungen, sondern im Sinn des maximalen Eigennutzens.

Gut, dass Frank Stronach nicht jedem seiner Wähler ein Sümmchen bar auf die Hand geben will und stattdessen der eigenen Partei spendet. Das themenbezogene Wahlverhalten richtet sich nämlich in solchen Modellen nicht nach Vernunft und Kompetenz der Parteien, sondern ob es programmatische Standpunkte gibt, die mir materiell etwas bringen. Deshalb sind Wahlkampfansagen der Steuersenkung für den Mittelstand extrem populär.

In der Realität mögen die Kosten-Nutzen-Analysen des Wählers komplizierter sein. Doch läuft unser Wahlverhalten auf die Hoffnung eines privaten Vorteils im größtmöglichen Ausmaß hinaus. So sehr wir uns in Hochwasserzeiten als Hilfeleister gebärden, so wenig denken wir in der Wahlzelle an das Gemeinwohl. Parteien richten sich als Anbieter nach der Nachfrage, und ein Wahlzuckerl jagt das nächste. Mit inhaltlicher Politik hat das wenig zu tun, doch Auslöser dafür wäre laut Downs das Denken der Bürger. Nur die Wähler können ihn widerlegen.