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London zum Zweiten und zum Dritten

Olympia und Nachkriegsdeutschland - damals ging es um heikle politische Fragen, weniger um Medaillen.

Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen. Doch die Londoner Spiele verliefen für Österreich medaillenlos - und auch politisch fast ereignislos. Anders als 1948. Damals gab es in Englands Hauptstadt die Fortführung Olympias nach dem Zweiten Weltkrieg. Das wird heute zur Legendenbildung rund um den Friedensgedanken und eine neue Völkerverständigung genutzt. In Wahrheit handelte es sich um mühsam überdeckte nationale Streitigkeiten und viel Glück.

Die heikle Frage, ob Kriegsverlierer Teilnehmer entsenden durften, umschiffte man mit der Lösung, dass es in Deutschland und Japan keine anerkannten olympischen Organisationen gäbe. Das machte einen Ausschluss formal unnötig, obwohl es ein solcher war. Selbstverständlich hatten die Alliierten das Nationale Olympiakomitee der Nazis zu Recht aufgelöst und im besetzten Land kein neues Komitee bewilligt. Die Interpretation, dass man quasi mangels Postadresse an deutsche Sportler keine Einladungen senden kann, ist trotzdem gewöhnungsbedürftig.

Unlogisch, dass Nachkriegsdeutschland de facto ausgeschlossen wurde, während das nationalsozialistische Deutschland 1936 Veranstalter sein durfte. Sogar in den Kriegsjahren hatte die olympische Bewegung mit den Nazis kooperiert. Dass IOC-Vizepräsident Avery Brundage - in Österreich 1972 durch den Ausschluss von Karl Schranz zum Feindbild werdend - als bekennender Antisemit energischer Befürworter der Propagandaspiele 1936 gewesen war, machte die Sache noch unrunder.

Doch auch hinsichtlich einer Teilnahme der UdSSR musste das Internationale Olympische Komitee (IOC) sich nicht entscheiden, weil kein diesbezüglicher Antrag der Sowjetunion vorlag. Worüber man reichlich froh war, hatte doch der IOC-Präsident im September 1947 erklärt, dass er keine Kommunisten aufnehmen wolle.

Es gab zudem nicht wenige Stimmen, dass etwa Lausanne in der neutralen Schweiz ein besserer Veranstaltungsort gewesen wäre als London in einem Kriegsgewinnerland. Ebenda wiederum störte viele das extravagante Spektakel in einer zerbombten Stadt, wo Wohnungsnot und Probleme mit der Nahrungsversorgung herrschten.

So oder so waren die zweiten Spiele in London nach 1908 eine verpasste Chance: Warum hat das IOC nicht aktive Vergangenheitsbewältigung betrieben, indem man explizit deutsche Sportler einlud, die a) nicht NSDAP-Parteimitglieder, b) Widerstandskämpfer und/oder c) durch Emigration vor Hitlers Schergen geflüchtet waren?

Das dritte London passt ins Bild, und hatte viel mit Geld und eher wenig mit Politik zu tun.