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Startschuss und Finish

Glaubt man den Medien im Juni, so laufen alle Parteien bereits im Wahlkampfmodus. Es gibt Erst- und Zwischenkampagnen auf Plakatwänden zu sehen.



Offenbar wäre es naiv, auf den
9. Juli als formellen Start- und Stichtag der neuen Beschränkung von Wahlkampfkosten auf sieben Millionen Euro pro Partei zu verweisen. Umgekehrt befürchten realistische Parteistrategen, dass das Geld für Werbung vor dem Ende der Ferien- und Urlaubszeit pure Verschwendung sei. Die Wähler wollen nicht anstatt eines Sommerflirts von mehr oder weniger sympathischen Politikern angemacht werden.

Wann also erfolgt der wirkliche Auftakt einer Wahlkampagne? Viel früher. Ein Stehsatz von US-Politikexperten lautet, dass die Auseinandersetzung
um die Nachfolge Barack Obamas exakt einen Tag nach dessen Wiederwahl - also vier Jahre vor dem Wahltag - begonnen habe. Unauffällig und im Hintergrund. Die Wahlkampfführung nach amerikanischem Vorbild besteht aus vier Phasen. Das sind a) Analysearbeit, b) Strategiefindung, c) interne Kommunikation sowie d) Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Nur den letzten Punkt bekommen wir mit.

Alle Slogans, Logos & Co. haben sich freilich der auf ausführlichen Analysen beruhenden Strategie unterzuordnen. Diese sollte vor allen Veranstaltungen und Werbemitteln jeder Parteimensch kennen, verstehen und akzeptieren. Was drei verschiedene Dinge sind.

Daher müssten unsere Parteien spätestens im Herbst 2012 neben klassischen Umfragen zahlreiche Fokusgruppen - vulgo Gesprächsrunden - mit entscheidenden Wählermilieus, Einzelinterviews mit Meinungsführern sowie den Austausch mit der eigenen Basis durchgeführt haben. Wenn"s wahr ist. Sinn der Sache wäre die Sensibilisierung für Grundstimmungen und Themenauswahl.

Die Strategiephase knapp nach Jahreswechsel hätte demzufolge Planungen der Bundespartei mit Nationalratsabgeordneten, zentralen Landes- und Lokalpolitikern plus regionalen Geschäftsführern beinhaltet. Mit der Festlegung sowohl der Gesamtstrategie als auch von Zielvereinbarungen für das Ergebnis in den Wahlsprengeln.

Es folgt die aktuelle Kandidatenauswahl und deren Betreuung. Mit der Nennung von Namen ist es nicht getan, sondern es bedarf Schulung und Service. Hinzu kommt die Organisation und - ungleich schwieriger - Koordination der vielen Bezirks- und neun Landeswahlkämpfe. Nichts ist schlimmer als Parteigänger, die mangels besseren Wissens als "unguided missiles" herumschwirren.

Der etwa vierwöchige Intensivwahlkampf von der ersten ORF-Fernsehdiskussion bis zum Wahltag ist bloß das Finish nach hoffentlich professionellen Vorleistungen. Trotz der steigenden Zahl unentschlossener Wähler wurde da das Fundament für Wahltriumph oder Stimmendebakel längst gelegt.