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Unsere Schmutzkübel sind kleiner als anderswo

Warum Österreich bei Wahlkämpfen eine Insel der Seligen ist. Außer im Internet.

Alle Jahre wieder. Wahl für Wahl häufen sich Klagen, wie viele und schlimme Negativkampagnen es gibt. Natürlich beschränken sich Parteien und Politiker nicht darauf, sich selbst als wunderbar darzustellen. Trotzdem vermittelt die Empörung über angeblich zahllose Schmutzkübel ein falsches Bild.

1. In Österreich leben wir diesbezüglich auf einer Insel der Seligen. Die Untergriffe sind nichts im Vergleich zu den USA, wo Gegenkandidaten schon konsequent als angebliche Sodomisten diskreditiert wurden. Glaubt übrigens jemand, dass bei uns früher alles besser, freundlicher und sachlicher war? Da empfiehlt sich ein Blick auf historische Wahlplakate vom Rentenklau bis zum unterschwelligen Rassismus.

2. Parteien selbst werfen einander dauernd "dirty campaigning" vor, um sich von vornherein genau davor zu schützen. Franz Wilhelmy, im Nachbarland bei der SPD dafür zuständig, beschreibt das mit entwaffnender Ehrlichkeit so: "Erhebe erstens präventiv den Vorwurf, der Gegner betreibe einen Schmutzwahlkampf! Ertrage zweitens den umgekehrten Vorwurf, Du Heulsuse! Wiederhole drittens jedoch dauernd den Vorwurf unter Punkt eins!" Spannend auch Wilhelmys Aussage, dass Gegnerbeobachter ein Auslaufmodell wären, weil sie längst nichts mehr wirklich Negatives herausfinden, das nicht ohnehin jeder aus dem Internet weiß.

3. Weil ein Werfer von Schlammbällen selbst dreckige Hände hat, müsste eine Strategie des Anpatzens über scheinbar unbeteiligte Dritte ablaufen. Das ist in der geographisch und medial sehr kleinräumigen Alpenrepublik schwierig. Warum sollte sich einerseits jemand als böser Bube hergeben? Andererseits würde niemand etwa einer Teilgewerkschaft glauben, dass etwaige Dreckschleudern nicht von der dortigen Mehrheitsfraktion mit ihrer Partei abgestimmt waren.

4. Das ideale Spielfeld für Negativität ist daher eben das halbanonyme Internet. Dort kann jeder von uns, der ein bisschen in der Öffentlichkeit steht, so ziemlich alles finden, das einen kränkt und beleidigt. Für Politiker gilt das am allermeisten. Sie können es sich zudem vor einer Wahl weniger leisten, den geposteten Schrott und Shitstorm einfach zu ignorieren. Doch die Schlüsselfrage lautet nicht, ob es virtuellen Schmutz gibt, sondern ist jene nach seiner Breitenwirkung und Glaubwürdigkeit. Gerade wenn viele Kampfaktivisten herumflegeln, ist beides gering. Sogar wer den Vorwürfen zustimmen würde, will vielleicht nicht in einen Topf mit solchen Typen geworfen werden.

5. Gleichzeitig ist es erlaubt zu argumentieren, dass Partei X oder Politiker Y eine schlechte Politik macht. Solange danach ein "Weil"-Begründungssatz mit einer inhaltlichen Erklärung folgt, und nicht eine Beschimpfung des Aussehens und der privaten Lebensweise oder falsche Unterstellungen. Letzteres kommt vor, ist jedoch zum Glück nicht der Regelfall.