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Unwissende Wähler in EU-ropa

Die Bürgerinnen und Bürger schimpfen oft über die Politik. Dabei zeigt eine neue Studie: Es wäre auch einmal angebracht, das eigene Wissen über die EU zu überprüfen.



Wählerinnen und Wähler schimpfen über die Politik. Oft aus gutem Grund. Manchmal aber müsste die politische Kaste der Gewählten den Spieß umdrehen und sich über das Volk wundern.

Ganz ehrlich: Haben Sie im Zuge der Wirtschafts- und Eurokrise über die Politik der EU geklagt? Das ist ihr gutes Recht. Die Kritik hätte nur einen komischen Beigeschmack, wenn jemand einerseits von zu wenig Demokratie in der EU spricht und andererseits seine politischen Beteiligungschancen nicht kennen will.

Das betrifft nicht bloß vereinzelte Schimpfer am Stammtisch. Eine aktuelle Studie der Europäischen Kommission über den Wissensstand der Bürger ist ernüchternd: Nur rund ein Drittel weiß, dass in einem anderen Land der Europäischen Union lebende Bürger sich nicht (!) an dortigen Regionalwahlen beteiligen dürfen.

Der Studienanteil Österreichs sieht so aus, dass eine klare Mehrheit dem Irrglauben anhängt, hier lebende EU-Bürger hätten außer für den Gemeinderat auch überall sonst die Möglichkeit zu wählen und zu kandidieren.

Warum es eine demokratiepolitische Katastrophe ist, wenn man den Menschen solchen Unsinn aufschwatzen kann? Dumpfbackigen Slogans, dass die arroganten Deutschen, hinterhältigen Italiener oder verdächtig fremden Osteuropäer demnächst in Salzburg und Tirol indirekt über die Landesregierung entscheiden, sind da Tür und Tor geöffnet.

Die zitierte Studie bezieht sich auf das Politikwissen über die EU. Es wäre interessant, sinngleiche Fragen zu den Kenntnissen über hiesige Wahlen zu stellen.

Wenn dieselbe Ahnungslosigkeit herauskommt, so sind alle Politiker angepatzt, weil sie trotz legalem Wahlvorgang viel an Legitimation ihres Volksvertretungsanspruchs verlieren.

Besagtes Volk steht bekleckert da, weil Information auch eine Holschuld ist. Jeder sollte über politische Dinge, die sein beliebter Schimpfgegenstand sind, mehr wissen als gar nichts. Denn es stimmt traurig, dass 80 Prozent fehlende Informationen über Wahlen in EU-ropa behaupten. Schließlich widmen sowohl der ORF als auch die Zeitungen einer EU-ropäischen Parlamentswahl mehr Platz, als es ihren Quoten und Reichweiten guttut.

Ach ja, und sämtliche Verfechter für politische Bildung müssen sich - Anwesende eingeschlossen - leider fragen, ob das die peinliche Bilanz der eigenen Arbeit ist. Immerhin sind wir seit 1995 Mitglied der EU und bei uns wird seit noch längerer Zeit gewählt.

Vielleicht ist also eine österreichische Parallelstudie doch keine gute Idee. Den Kopf in den Sand zu stecken, das hilft freilich noch weniger.