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Volksbefragungen ja, aber unter strenger Aufsicht

Direkte Demokratie hat nur Sinn, wenn Suggestivfragen und sonstige absurde Fragenkataloge verboten werden. Eine unabhängige Kommission sollte die Fragen erstellen und den Abstimmungsprozess überwachen.

Direktdemokratie auf Österreichisch, das sieht so aus: In einer bundesweiten Volksbefragung wird über die Zukunft des Heeres abgestimmt. Hauptwahlmotiv ist der Zivildienst, den die ÖVP plötzlich als Retter der Versorgungskette vom Autounfall über den Krankenwagen bis ins Spital entdeckt. Nachdem man selbigen lang als eine Art Wurmfortsatz der politischen Debatte behandelt hat.

Oder so: In Graz wird die Bevölkerung über Umweltzone & Co. befragt. Das geschieht auch via Internet, wofür als klitzekleines Problem die juristische Grundlage fehlt. Also werden Politiker frohen Mutes zu wissentlichen Brechern des steirischen Volksrechtegesetzes. Das Ergebnis ist ungültig.

Oder so: Wien will’s wissen, sodass SPÖ und Grüne einen absurden Fragenkatalog ausarbeiten. Dessen tragikomisches Glanzstück ist, ob zum Beispiel das Wasser vor Privatisierung zu schützen ist. Wofür es keinen Anlass gibt. Das entspricht der Suggestivfrage, ob jemand gern Schutz hätte, wenn ihm nachts im Gemeindepark ein Saukerl seine Keule über den Schädel ziehen will. Obwohl es Grünanlage, Prügelgerät und Fiesling gar nicht gibt.

Was wir aus solchen Trauerbeispielen lernen? Man muss Politiker bei der Hand nehmen, wenn sie direktdemokratische Gehversuche wagen. Nicht haltbar ist das Argument, gewählte Volksvertreter verhielten sich bei Volksbefragungen verantwortungsvoller als emotionale Wutbürger. Also sollen Letztgenannte ab einer Mindestzahl von Unterschriften verbindliche Abstimmungen erzwingen können.

Es ist diskutabel, ob es dafür Beschränkungen geben soll - die Initiative "Mehr Demokratie" lehnt solche ab, die Symbolik widerlicher Bürgerbegehren etwa für die Wiederzulassung extremistischer Parteien verursacht dennoch Bauchweh - aber offenbar ist die Unsinn- und Irrtumswahrscheinlichkeit in der offiziellen Politik nicht geringer als beim Volk. Mindestens wäre es naiv zu erwarten, dass bei der Direktdemokratie keine Parteitaktik im Spiel ist.

Wer so etwas zur Bedingung macht, würde Ewigkeiten auf die nächste Befragung warten. Also muss derlei in geordnete Bahnen gelenkt werden, etwa durch eine unabhängige Kommission zur Überwachung des Abstimmungsprozesses. Das ist nicht falsch zu verstehen: Ein neutrales Gremium von Verfassungsrechtlern und Politikwissenschaftern hat natürlich nicht festzulegen, worüber abgestimmt wird.

Die Letztentscheidung zur konkreten Fragestellung soll ebenso anderswo stattfinden. Hilfreich wären bereits verpflichtende, beratende und öffentliche Stellungnahmen oder Gutachten, was bei Volksbefragungen entweder glatt rechtswidrig ist oder gegen alle guten Sitten der Demokratie verstößt.