Die geringe Beteiligung von 55 Prozent bei der Grazer Gemeinderatswahl hat eine uralte Diskussion neu entfacht: Was kann man tun, damit sich mehr Leute politisch beteiligen? Schon klar, das Problem der Parteienverdrossenheit ist nicht durch das Wahlrecht lösbar. Sinnvoll wäre jedoch ein Nachdenken, wie der Zugang zu Wahlen sowie Volksabstimmungen & Co. möglichst einfach gestaltet wird.
Beim internationalen Vergleich keimt stattdessen der Verdacht, dass Wahlgesetze die Sache absichtlich verkomplizieren. In Ungarn etwa soll eine Voranmeldung der Wähler zur Pflicht werden. Wer sich nicht 15 Tage vorher registriert, darf nicht abstimmen. Das nicht "nur" bei der jeweiligen Nationalwahl, sondern als generelles Wahlverbot in der mehrjährigen Parlamentsperiode, also für alle Urnengänge von der Kommunal- bis zur Europawahl geltend. Eine Briefregistrierung ist bloß für Auslandsungarn vorgesehen. Vermutlich stecken dahinter strategische Absichten der mit Verfassungsmehrheit regierenden Rechten. Denn laut Studien steigen mit der Wahlbeteiligung die Chancen der Linken. Zudem ist es diskriminierend, denn für ärmere und schlechter gebildete Bürger inklusive der Roma wird die demokratische Partizipation schwieriger.
In den USA besteht ebenfalls kein Mangel an üblen Tricks. Je nach Parteipräferenz eines Stadtviertels gibt es Registrierungskampagnen. Oder eben nicht. Genauso weist man den Wahlbezirken viel oder wenig Budget zu. Dadurch werden mangels Personal und Ausstattung in Gegenden der Gegenpartei stundenlange Warteschlangen provoziert. In der Hoffnung, dass willige Wähler die Lust und Mitbewerber Stimmen verlieren.
Österreich ist da keine Insel der Seligen. Für Volksbegehren während der Arbeitszeit mit einem Reisepass bewaffnet zur Behörde pilgern zu müssen ist wenig kundenfreundlich. Bei Bürgerinitiativen auf EU-Ebene sind längst elektronische Unterschriften im Internet möglich. Doch gibt es in Graz den vorgezogenen Wahltag als richtigen Ansatz. Wer das wollte, konnte bereits freitags eine Woche vor dem Wahlsonntag abstimmen. In der Steiermark geschieht das auch auf Landesebene, und es wäre für Bundeswahlen überlegenswert.
Warum nicht mit quasi ähnlich der Briefwahl über einen längeren Zeitraum täglich geöffneten Wahllokalen? Es geht um eine Zusatzoption auf freiwilliger Basis. Wem das Risiko zu groß ist, dass die gewählte Partei in der Schlusswoche des Wahlkampfs noch etwas anstellt, der kann ja abwarten. Bei Internetwahlen wäre es sogar technisch machbar, dass jemand sein Stimmverhalten in letzter Sekunde ändert.
Wer übrigens glaubt, dass das Ganze ein akademisches Orchideenthema wäre, irrt gewaltig: In den USA gaben 2012 fast 40 Prozent ihre Stimme als "early voting" vorzeitig ab. Die Wahlbeteiligung hat sich dadurch erhöht.