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Was wir vom Wahlvolk - nicht - wissen

Wer darf überhaupt wählen? Die banale Antwort, dass jeder österreichische Staatsbürger abstimmen kann, ist unzureichend. Die konkrete Lebenssituation hat einen starken Einfluss.

Über das Ergebnis der Nationalratswahl entscheidet, wie viele jüngere und ältere, berufstätige oder pensionierte, arme und reiche Wahlberechtigte es gibt. Denn die Lebenssituation beeinflusst das Wahlverhalten. Umgekehrt richten Parteien ihre Strategien nach Zielgruppen aus. Wer Slogans für über 50-Jährige verbreitet, hat rechnerische Vorteile. In dieser Altersgruppe gibt es mehr als doppelt so viele Wähler als unter 30 Jahren. Will man etwa Jung- und Erstwähler gezielt ansprechen, sollte deren Zahl nicht unbekannt sein. Aber leider ist das so.

Es scheinen 6,381.495 Österreicher im Wählerverzeichnis auf, doch das Innenministerium gibt keine Details nach Altersgruppen bekannt, weil das gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Das ist formal richtig und für Politikwissenschafter schade. Angesichts von "Wählen mit 16" besonders interessant wäre ja auch die Beteiligung. Umfragen, wie viele Teenager ihr Wahlrecht nutzen, sind viel ungenauer als eine statistische Erfassung. Prozentzahlen über den Wähleranteil würden keinen Datenschutzrechten widersprechen. Geradezu kurios ist, dass Mitglieder von Wahlkommissionen mittels händischer "Stricherlliste" die Beteiligung nach Geschlecht oder Alter zählen dürften, dass es aber per Computer verboten ist.

Nur die Stadt Graz ist mutiger. Sie veröffentlichte die Wahlbeteiligung für den Gemeinderat nach Altersjahrgängen. Siehe da, es bleiben vor allem Twens zwischen 20 und 30 Jahren fern, welche von der Schule nicht mehr und der Erwachsenenbildung noch nicht erreicht werden. Politische Bildung ist auf derartiges Basiswissen angewiesen.

Derzeit kann sich die Wahlforschung bloß mit Statistik Austria-Daten der Registerzählung 2010 und des Mikrozensus 2013 behelfen. Daraus ist die Alterskluft ersichtlich: 21 Prozent der Wahlberechtigten, also ein Fünftel, sind unter 30 Jahre jung. Demgegenüber sind 45 Prozent - fast jeder Zweite - der wählenden Österreicher über 50.

Zu den Pensionisten kommen Schüler bzw. Studenten, Arbeitslose und Hausfrauen, sodass kaum über die Hälfte der Wählenden berufstätig sind. Von diesen sind 70 Prozent im Dienstleistungssektor. Wer in der Landwirtschaft (fünf Prozent) oder Industrie und Gewerbe (25 Prozent) ist, hat zahlenmäßig als Wähler ähnlich geringere Bedeutung wie 37 Prozent Arbeiter im Vergleich zu 62 Prozent Angestellten und Beamten. Beim Bildungsgrad dominieren mehr als 50 Prozent Pflichtschul- und Lehrabsolventen, die sich von maturierten oder akademischen Meinungsführern die Welt erklären lassen müssen.

All das ist notwendiges Wissen für Wahl(kampf-)analysen. Vielleicht findet sich für Politik und Ministerium ein Weg, es der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.