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Wie man mit Verkehrspolitik Wahlen verliert

Böse Zungen unter den Politikberatern behaupten, dass nur drei Dinge wirkliche Emotionen auslösen: Kinder, Tiere und Autos.

Abgesehen vom Sex vielleicht, doch dieser eignet sich nicht als Wahlkampfthema. Auch muss zum Schrecken aller Eltern die Reihenfolge nicht stimmen. Wahlen werden eher durch Parkplätze und Tempo-30-Zonen entschieden als von der Zahl der Kindergärten.
Den unfreiwilligen Beweis lieferte vor einer Woche in Krems die ÖVP. Dort trat die Bürgermeisterin zurück, weil ihre Partei in der Gemeinderatswahl um mehr als zehn Prozentpunkte abstürzte. Als Hauptgrund der Niederlage wird die Aufregung über Parkzonenscheine und -gebühren gesehen. Was allen Wienern bekannt vorkommt. Unterschriftensammlung und bevorstehende Volksbefragung lassen grüßen.
In Graz gab es bereits eine solche, weil zudem die Komponente Feinstaub eine Rolle spielt. Überall werden bald alle Vehikel älteren Typs vom Stadtverkehr ausgeschlossen sein, und die Wogen erneut hochgehen. Da ist es verwunderlich, dass auf Landes- und Bundesebene der Verkehr nicht im Mittelpunkt des Vorwahlkampfs steht. Was ein taktischer Fehler sämtlicher Parteien ist.

1. Nur vordergründig ist das Verkehrsthema auf die Städte beschränkt. Berücksichtigt man Pendler und Besucher, so gibt es ungleich mehr Betroffene. Im Speckgürtel Wiens leben 400.000 Wahlberechtigte weniger als 20 Autominuten von der Hauptstadt entfernt. Freilich nur theoretisch, die Praxis sieht jeden Morgen anders aus. Für je 100.000 Wähler in Graz- oder Linz-Umgebung gilt dasselbe. ÖBB & Co. erweitern den Kreis der emotional Berührten zusätzlich um Legionen.

2. Unternehmer und deren Angestellte definieren oft die Qualität ihres Arbeitsplatzes gleichermaßen anhand der An- oder Abreise. Kein noch so hübsches Büro kann Missstimmungen über Staus und verspätete oder überfüllte Öffis beseitigen. Und nur naive Wirtschaftsplaner glauben, dass es für Firmeninhaber bei der Infrastruktur vor allem um Breitbandtechnologien geht. Weit gefehlt. Straße und Schiene gelten als viel wichtiger.

3. Abbiegen ist eine Frage von rechts oder links, aber der Verkehr ist nicht parteipolitisch besetzt. In Wahlen könnte jede kandidierende Liste damit zu punkten versuchen. Dreht sich etwa der politische Wettbewerb um Atomkraft oder "Ausländer", so werden am Ende des Tages die Grünen bzw. die FPÖ profitieren. Dasselbe gilt für Sozial- und Wirtschaftspolitik als gegensätzliche Wunschthemen der SPÖ und der ÖVP.
Doch niemand kann sagen, dass Verkehrsthemen exklusiv ein roter, schwarzer, blauer oder grüner Gewinnschlager wären. Einerseits greift sie deshalb keiner auf, andererseits lassen da alle eine Chance brachliegen. Es ist seltsam, dass landes- und bundesweit etwas nicht zum Kampagneninhalt wird, das jeden täglich betrifft und wozu alle eine Meinung haben.