Karl Ignaz Hennetmair ist tot. Wem der Name nicht gleich aus einer Macht der Gewohnheit heraus etwas sagt: Hennetmair war Handelsreisender, Ferkelgroßhändler und Realitätenhändler im Salzkammergut. Er schrieb auch Bücher und war einmal Gast in der Show von Harald Schmidt. Wem der Theatermacher Schmidt nicht gleich etwas sagt: Schmidt war Late-Night-Talker. Seine Show war Heldenplatz für jene, die eine halbwegs solide Grundkenntnis hatten über das Kulturgut der Menschheit. Zum Beispiel verehrte Harald Schmidt den Großschriftsteller Thomas Bernhard (von dem jetzt an dieser Stelle einfach angenommen wird, dass wenigstens sein Name jedem etwas sagt). Noch mehr verehrte Schmidt vielleicht die Schauspielerinnen und Schauspieler, die den Stücken von Thomas Bernhard Leben verliehen und zwar mit einer Hingabe, dass einem im Theater der kalte Frost der Verstörung über die Haut jagen konnte.
Hennetmair und Schmidt kamen zusammen am 9. Februar 2001, der der 70. Geburtstag von Bernhard gewesen wäre, wäre er nicht elf Jahre zuvor gestorben. Im Winterurlaub, so ließ Schmidt in seiner Show wissen, habe er ein "Jahrhundertbuch" gelesen. Beim Salzburger Residenz Verlag war es erschienen: "Ein Jahr mit Thomas Bernhard - Das versiegelte Tagebuch 1972". Autor? Karl Ignaz Hennetmair, der bauernschlaue Immobilienhändler aus der Gmundner Gegend. Hennetmair hatte Thomas Bernhard mehrere Höfe - unter anderem schon 1965 jenen in Obernathal bei Ohlsdorf verkauft. So wurden die beiden quasi Nachbarn und Vertraute - bis zu einem Zerwürfnis in den späten 1970er-Jahren. Bernhard beschuldigte Hennetmair, sich unerlaubt Zutritt in sein Haus verschafft zu haben. Hennetmair bestritt das. Stur, wie beide waren, gab es kein Zurück, sondern nur ein Vorwärts in die Freundschaftslosigkeit. Konsequentes Drama!
1972 war das noch anders. Und Hennetmair notierte jede Begegnung - vom gemeinsamen Schauen des Neujahrsspringens über die Aufregung um den sogenannten Notlichtskandal bei der Uraufführung von "Der Ignorant und der Wahnsinnige" im Rahmen der Salzburger Festspiele bis zum 17-und-4-Spielen und Beuschel-Essen. Entstanden ist ein eindrucksvoller, wortkräftiger, unverstellter Blick auf den Schriftsteller. "Ein Nichtschriftsteller schreibt eines der besten Bücher der Saison", stand nach der Veröffentlichung im November 2000 in der "Zeit". Harald Schmidt sprach in seiner Show mehrfach einen "Kaufbefehl" aus.
Als Gast in der Show damals erzählte Hennetmair unter anderem, dass er mit Bernhard fast jeden Tag "die Kultursendung im ORF" geschaut habe. "In Österreich gibt's jeden Tag eine Kultursendung?", fragte Schmidt. "Ja, aber Kultur gibt's ned jeden Tag", sagte Hennetmair. Danke, Herr Hennetmair.
Hennetmair starb - wie jetzt bekannt wurde - am 2. Mai in einem Pflegeheim bei Gmunden. Er wurde 98 Jahre alt. Der Zufall will es, dass Harald Schmidt nach längerer Abwesenheit heuer bei den Festwochen in Gmunden auftreten wird - gleich ums Eck von Hennetmair und Bernhard. Kaufbefehl!

