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Blumen welken, T-Shirts duften

Dauerhafte Schönheit erweist sich einfach als praktisch.

Bernhard Flieher

"Ach so, unecht", sagte ich. Da war sie ein bisserl beleidigt. Sie hat sich sehr bemüht. Die Lobby des Hotels hat sie auffällig hübsch arrangiert. Sonst wäre ich eh achtlos vorbeigerannt. Aber hier: Farblich abgestimmt wächst alles. Ich tippte auf Lilien und Schilf. Hätte sich die Schönheit der Pflanzen nicht so aufgedrängt, hätte ich nie gefragt, wie sie heißen. "Fantasieblumen", sagte die Hotelmanagerin. Klingt besser als die Wahrheit, die ganze Schönheit war künstlich.

Man könnte auch "unecht" sagen. Aber "unecht" ist kein schönes Wort. Es ist direkt. "Künstlich" klingt besser. Das klingt nach Kreativität und Fantasie. Alles Plastik jedenfalls. Die Managerin sagt, das sei bequemer. Nichts zu gießen. Nicht dauernd etwas nachkaufen müssen. Dauerhafte Schönheit erweist sich als praktisch, wenn sie Sache industrieller Produktion ist und nicht Laune der Natur. Abwaschbar. Pflegeleicht. Ewig. So eine wirtschaftlich rentable Nachhaltigkeit kriegt die Natur niemals hin.

Die Natur kennt nämlich keine Gnade. Verblühen. Verwelken. Verrotten. Alles inklusive. Die künstliche Welt tut da nicht mit. Wenn sich im natürlichen Kreislauf eine Hüfte abnutzt oder ein Knie zerschellt bei einem Unfall, dann muss man darüber auch froh sein. In der Kunst der Künstlichkeit ist viel passiert, damit es Menschen besser geht. Aber wieso Blumen?

Schlimm ist da vor allem, dass es nach nichts riecht. Nach gar nichts. Außer die Sonne brennt drauf. Dann beginnen auch Kunstblumen zu riechen. Sie entfalten den Duft dessen, was sie sind: billiges Plastik, Wegwerfware, Tarnung und Hinterlist. Das sind beliebte Weltgeschmacksnoten.

Dabei hat uns die Natur beim Riechen so gut ausgestattet! Ungefähr eine Billion verschiedene Mischungen von Riechstoffen können wir unterscheiden. Blöd ist nur unser Mangel an Worten, weswegen wir diese Riechstoffe nicht alle beschreiben können. Bei Blumen rettet uns dann die Bewunderung der Formen- und Farbenpracht.

Aber da gibt es zum Beispiel auch dieses T-Shirt, das ich tagelang nicht waschen wollte. Ich trug es auf einer ersten langen Reise in den Süden. Das T-Shirt schmeckte schon am ersten Tag nach billigen Zigaretten und schwerem Rauch, nach feisten Süßspeisen, nach Wüstenhitze und dem Salz des Meeres. Die Blumen aus der Lobby sind längst vergessen. Den Geruch des T-Shirts aber kann ich abrufen, wo immer mich Sehnsucht befällt.