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"Brakka", das Jugendwort des Jahres: Ein Königreich für jene, die einen fest'n Klescher haben

Über das Jugendwort des Jahres, Teppiche im Hinterhof und den Kampf gegen eine Fliege.

Bernhard Flieher

"Brakka" ist zum österreichischen Jugendwort des Jahres gewählt worden. Das wurde im Kultursender berichtet, dessen durchschnittliche Hörerschaft davon wohl ebenso überrascht wurde wie ich. Dass ich seit Jahren Jahr für Jahr vom Jugendwort des Jahres überrascht werde, lässt mich immer alt und älter aussehen. Über die Wortwahl berichtet wurde nach Meldungen, in denen die Worte "Chaos", "Katastrophe" und "Krieg" häufig vorkamen. Alles das passt besser zu meinem Zustand als ein Jugendwort. Ich war nämlich, während ich die Nachrichten hörte, in einer Auseinandersetzung. Ich war gerade dabei, den Kampf gegen eine letzte Überlebende des beginnenden Winters zu führen. Diese eine Fliege gibt seit Tagen keine Ruhe. Sie brummt sich durch die Wohnung, in der ich gefangen bin, weil ich krank bin. Wie nennt man das Geräusch, wenn eine Fliege an einer Glasscheibe entlangfliegt? Kratzen oder eher Scheuern oder Brummeln? In jedem Fall nervt es. Die Fliege verstärkt mein Kopfweh. Fangen lässt sie sich nicht. Ehrlicherweise will ich sie auch nicht fangen, sondern erschlagen, zermantschen. Todesursache egal, Hauptsache hin. Aber ich traf sie nicht, weder mit der zusammengerollten Zeitung noch mit der Graphic Novel über Nick Cave und auch nicht mit dem neuen Buch von Peter Handke, das für einen endgültigen Abschied einen guten Titel trägt: "Die Ballade des letztes Gastes".

Das Wort "Brakka" sei, so wird mir berichtet, durch ein Video auf der Plattform TikTok in die Welt gekommen und bedeutet "Hose". Also wieder kein Wunder, dass ich es nicht mitbekommen habe. Ich nutze TikTok nicht. Ich bin nicht gemacht für ein Unterhaltungs- oder Infoformat, das Welterklärungen in bloß 20 Sekunden langen Spots auftauchen lässt. Ich lese immer noch lange Reportagen und sogar Romane. Beim Wort "Brakka" dachte ich zunächst, dass junge Menschen sich wieder mehr häuslichen Tätigkeiten zuwenden. Weil beim Wort "Brakka" fallen mir Teppiche ein und schäbige Hinterhöfe, genannt "Grünflächen" und begrenzt von Schildern wie "Betreten des Rasens und lautes Spielen verboten". Dort, wo Kinder und die Jugend verboten waren, kleschte es, wenn Teppichen der Staub ausgetrieben wurde. Leider bestand damals keine Gelegenheit, den Verantwortlichen zu sagen, welch fest'n Klescher sie haben, solche Schilder aufzustellen. Es gibt wunderbare Möglichkeiten, jemandem zu sagen, dass er oder sie nicht ganz dicht ist oder, wie der Duden das schön deutsch sagt, "einen Knall hat". "Was hast du denn für an Klescher" gefällt mir als Bezeichnung des Irren am besten. Das lässt sich erregt hinschreien oder fassungslos betonen, man kann es sogar liebevoll erstaunt sagen. Flexibel, in seiner wahren Bedeutung nur am Ton erkennbar, schön österreichisch. Dass ich keinen Klescher habe, rettet der Fliege wohl das Leben. Außerdem haben mich Schnupfen, Halsschmerzen und Kopfweh den Kampf gegen die Fliege ohnehin gleich nach den Nachrichten beenden lassen. Es hat mich nämlich so z'sammgeprackt, dass ich es dieser Tage nicht einmal bis zum DM hinübergeschafft habe, um einen Fliegenpracker zu kaufen. Das lag auch daran, dass ich wegen Gliederschmerzen in keine Hose schlüpfen konnte. Ich lag brakkalos im Bett und dachte über Klescher nach.