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Die Seele malt nach Zahlen

Angeblich gibt es Alternativen zum Fußballstress.

Bernhard Flieher

Fest vorgenommen hatte ich mir, dass es dieses Mal nicht passiert. Ich wollte das Loch vermeiden. Ging aber nicht, denn auch wenn man den Tag kennt, an dem das Loch kommt, stolpert man hinein. Zuerst noch drei, vier Spiele am Tag. Dann: keines. "Spielfrei" - eine härtere Niederlage gibt es nicht. Also reißen die spielfreien Tage während der EURO schreckliche Löcher ins Lebenskontinuum. Spielfrei ist etwas ganz Furchtbares. Für die Spieler vielleicht nicht, die suhlen sich in Regeneration, die haben keine Pressekonferenz, die müssen nicht von Hubschraubern begleitet mit Bussen durch Städte fahren, die werden nicht auf Schritt und Tritt gefilmt, können sogar ihre Familien treffen.

Wer will das?

Viele Familien sind doch heilfroh, wenn sie ihre spielversuchten Mitglieder nicht sehen müssen. Für die Junkies daheim ist spielfrei das Allerletzte. Ein Tag ohne Spiel offenbart nämlich die Erbärmlichkeit des Lebens jenseits der Ablenkungsmaschinerie.

Aber ich erfuhr, dass es Trost geben kann. Ein Bekannter schwört zur Entspannung und wenn ihm fad ist, neuerdings aufs Malen. Aber nicht so richtig, sagt er. Nicht so mit weißer Leinwand und kreativ oder so, sagt er. Er malt aus. Aber nicht das Schlafzimmer oder das Bad, was seine Frau sehr freuen tät'. Nein. Er malt in vorgedruckte Formen. Mandalas oder Landschaften mag er am liebsten. Das beruhige die Seele, sagt er. Und so steht das ja auch auf dem Buch vorn drauf, das wahlweise mit 80, 120 oder 140 Seiten angeboten wird: "Mal dich glücklich" steht da.

Und weiter heißt es, dass die "Ausmal-Therapie" stark im Trend liege, quasi ist das Ausmalen das neue Yoga, weil es "den Stress des modernen Lebens" bekämpfe. Und ich male mir aus, wie wir da sitzen beim Wirt an spielfreien Tagen, der Fernseher stumm, die Leinwand schwarz, aber eine 20-teilige Faber-Castell-Farbstiftebox vor uns, und wir uns gar nicht entscheiden können, mit welcher der Vorlagen wir uns zuerst ins Glück zeichnen sollen.

Es sei, steht da auch noch bei den Instruktionen, "leichter gesagt als getan, gegen diesen Stress anzukämpfen", und es sei wichtig, "sich diese Zeit zu nehmen".

Das macht man gerne. Zeit nehmen, wo einem das angeschafft wird.

Am Ende waren es dann drei Bier und eine intensive Analyse der Vorrunde und kein einziger Strich im Malheft. Und jetzt sind die spielfreien Tage ohnehin schon wieder vorbei und leider weiß keiner, wie sich "die Befriedigung" anfühlt, die im vorgedruckten Malbuch versprochen wird, und zwar "durch den Ausdruck der Kreativität".