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Die Toten Hosen und dazu lauwarme Ravioli aus der Dose

Winnetous Tod verstörte mich so nachhaltig, dass ich das dringende Gefühl habe, nicht mehr zu dieser Welt zu gehören.

Bernhard Flieher

Ich bin dermaßen Old School, dass mich Angst befällt, nicht mehr mitzukommen. Nun muss ich zwar gar nicht mehr auf Open-Air-Festivals. Privat ist das erledigt, beruflich aber kommt es mir immer wieder unter. Erstaunliches wird dort geboten unter dem Vorwand, dass eh immer die gleichen Headliner - Die Toten Hosen, Metallica, Slipnot usw. - auftreten. Gerade in der gastronomischen Versorgung - sprich: Alkohol - wird da tatsächlich einiges für voll zufriedene Kunden getan. Um sich das Schleppen zu ersparen, gibt es zum Beispiel online die Möglichkeit, dass Getränke vorbestellt werden, um sie vorgekühlt an Ort und Stelle abholen zu können. Dieser Service verstört mich nachhaltig. Es zerlegt meine Idee der Selbstversorgung. Wir schleppten, also waren wir (nach langen Fußmärschen endlich da). Denn das war ja gerade ein Reiz beim Überlebenstraining auf freiem Feld mit Dauerbeschallung. Getrieben wurde wir von Ungewissheit. Reicht der Dosenvorrat? Schmeckt Rotwein aus dem Tetrapack? Wird uns beim Aus-der-Dose-Löffeln der lauwarmen Dosenravioli eh erst dann schlecht, wenn die Lieblingsband ihren Auftritt erledigt hat? Diese Fragen existieren heute gar nicht mehr. Längst gibt es Gastromeilen. Es gibt Entertainmentparks (wobei es ratsam scheint, die Gastromeile erst nach dem Bungeejump durchzuprobieren), ja sogar mobile Toilettenanlagen gibt es. Wer heute auf ein Open-Air geht, braucht keinen Überlebenswillen. Wir reisten an, um ihn zu testen. Ja sicher, es gab auch Musik. Wichtiger aber war die Indianerwelt auf dem Zeltplatz. Die angebliche Freiheit, das total sichere Ungewisse. Womöglich fällt mir der Verlust dieser großen Werte des jugendlichen Ungestüms ein, weil vor ein paar Tagen Winnetou gestorben ist (also schon Pierre Brice, aber da ist ja kein Unterschied). Und Winnetou war für meine Generation ja das Edelste, was man sich vorstellen kann (neben einem Paar Jogging High von Adidas). Einer, der sich immer zu helfen wusste draußen in der wilden, weiten Prärie. Und neben den Auen und den Wäldern waren Open-Air-Gelände eine solche Prärie. Jetzt ist dort alles durchorganisiert. Und wenn ich mir schon von daheim aus das Bier bestellen kann, muss ich doch gar nicht mehr hin, weil da bestelle ich mir mit dem Bier auch gleich eine DVD von einem Konzert. Da entgeht mir zwar der Cocktail aus Nahrungssuche, harter Rockmusik, Mädels und Stoffen, die bis heute nicht legal zu haben sind, kann aber immerhin jederzeit abschalten. Außerdem sind so Festivals keine wilden Ritte mehr, sondern Autobahnen der Unterhaltung. Es ist alles so bequem geworden. Und weil ich mich da gar nicht ausnehme, habe ich zumindest in diesem Punkt doch noch einen Ansatz, mich als Teil der Jetzt-Welt zu fühlen.