Im Vorzimmer hängt ein altes Festnetztelefon. Es hängt da seit meinen Volksschultagen. Es schaut deshalb gar nicht nach dem aus, womit man heutzutage auch telefonieren kann. Es ist so anders, dass manches Kind schon fragte, was das da an der Wand denn sein soll. Meine Mutter hängt an dem Telefon. "Ich muss nicht immer erreichbar sein", sagt sie. Zuletzt aber tat sie sich schwer, selbst Kontakt aufzunehmen. Das Kabel zum Hörer begann sich aufzulösen. Und weil es für so etwas keine Handwerker mehr gibt, sondern nur IT-Experten, gibt es eine Hotline.
Da haben die bei der Hotline des Telefonanbieters dann aber gar nicht verstanden, was meine Mutter wollte. Sie verstanden zwar, dass etwas kaputtgehen kann. Das ist auch vorgesehen. Sollbruchstellen gehören zum Konzept der modernen Wegwerfgeschäftswelt. Reparatur? Unmöglich. Neukauf einziger Ausweg. Dafür bietet die Hotline auch gleich verschiedene Kanäle: Drücke Sie die Eins für Ihre Rechnung, Zwei für Fragen zum Tarif, Drei für Internet und WLAN, Vier für alles andere. Neuer Router, neues Modem. Alles da. Aber ein Kabel? Was soll das sein? Ich verstehe das. Kabellos ist's Leben bequemer als mit Verteilersteckern. Ich las einmal, Forscher würden daran arbeiten, dass Strom aus der Luft in Akkus kommt mit Laser oder Ultraschall. Das wäre fein. Da spart man sich den Ärger, dass man wieder vergessen hat, den Netzstecker mitzuschleppen. Meine Mutter kennt diesen Ärger nicht. Sie ärgert sich wegen des Kabels. Es macht ihr nichts aus, im Vorzimmer zu stehen beim Telefonieren. Und jetzt ist das Kabel hin. Mich amüsiert der Gedanke daran, wie am anderen Ende der Hotline wer verdutzt sitzt im Callcenter in der digitalen, wireless Kommunikationsarena, die auch keine Rechnungen mehr per Post verschickt, sondern mailt. Und dann fragt eine ältere Frau nach einem Kabel für ein funktionsfähiges, aber eben uraltes Telefon.
Antidigitaler geht es nicht. Und schon nach gut einem halben Dutzend Anrufen war meine Mutter dann auch an eine zuständige Durchwahlstelle geraten. Also fast zuständig, und sogar zuvorkommend. Was selbstverständlich noch nichts zur Lösung des Pro blems betragen konnte. M-hhm, sagte der Mann. Und: Ja, ich verstehe, sagte er und er sagte, dass seine Oma auch so ein Telefon habe. Und dann sagte er, dass er jetzt so konkret nicht helfen könne, aber: "Kennen Sie vielleicht jemand, der noch löten kann?"