„Restzeit etwa 1 Minute“. Wenn dir das der Tod sagt, dann wird’s eng. Eine Minute. Das ist nicht mehr viel. Aber es dauert eh schon viel zu lange. Jetzt aber, dem Ende so nahe, steigt dann doch noch einmal die Aufregung, und es wächst mit letzten Fragen die Unsicherheit. Eine große Frage bleibt dann noch: Was wird dann sein nach dieser einen Minute? Und vielleicht doch auch noch eine zweite Frage: Hab‘ ich eh alles richtig gemacht? Und was wenn nicht? Wie kann ich es noch ändern, kann ich noch eingreifen, kann ich ein letztes Update machen? Wie hört es auf, wie wird es weitergehen? Irgendwann früher bekam ich die Information, dass die ungefähre Dauer des Vorganges noch zwei Stunden betragen würde. Mit zwei Stunden lässt ich noch etwas anfangen, dachte ich. Ich habe überlegt, die Küche zu putzen. Dann hab ich überlegt, mir ein Bad einzulassen mit Entspannungsduft. Das mit dem Bad habe ich als zu gefährlich eingestuft. Womöglich schlaf‘ ich frühzeitig ein? Das ist gefährlich. Dann übersehe ich den Zeitplan, übersehe, dass ich doch noch irgendeine Aktion setzen muss, ein Zwischenupdate zu erledigen hätte, während ich im Schaum untergehe. Jetzt, da ich noch eine Minute habe, ist die Ansage, es würde noch zwei Stunden dauern, schon schon über drei Stunden her. Kein Verlass auf den Zeitplan. Ein Bad wäre sich also noch ausgegangen. Ich habe aber nur die dunkle Wäsche in die Waschmaschine gestopft. Ich hatte auch nicht die Ruhe, eines der Bücher in die Hand zu nehmen, die ich längst schon lesen wollte. Ich habe stattdessen eine Serie auf Netflix geschaut („House of Guinness“, muss man nicht), die ich teilweise schon gesehen hatte. Bei so einer Wahl, so dachte ich, könnte ich jederzeit stoppen und noch einmal von vorne anfangen, falls ich was Wichtiges verpasst hätte. Ich habe nichts Wichtiges verpasst. Ich habe außerdem nebenbei bloß immer wieder auf den Strich gestarrt, der sich langsam auf das Ende des Vorganges zubewegte. Manchmal sprang er schnell nach vorne. Dann zog er sich wieder zurück wie eine Schnecke in ihr Haus, um dann wieder ganz langsam dahin zu kriechen.
„Nur noch einen Moment“, steht jetzt da. Der Tod ist es nicht, der die Zeit herunterzählt. Es ist das neue Smartphone, das per Display mit mir spricht. Ich wollte keines. Aber ich habe mein altes Smartphone, an das ich mich so schön gewöhnte hatte, kaputt gemacht. „Daten von Bernhard Flieher erfolgreich übertragen“ steht jetzt da. Ich habe jetzt ein neues Handy, zu dem ich nicht Handy sagen soll, weil es ein Smartphone ist, sagen die jungen Leute in meiner Umgebung. Ich sage ja meisten noch Telefon. Ein bisschen dünner als das alte ist das neue, ein bisschen mehr Speicherplatz habe es. Und sonst? Alles wie sonst. Angeblich verfüge ich nun über eine exorbitant superige Kamera. Aber ich bin ja keine Fotograf. Und als es sich endlich wie von Zauberhand selber einschaltet, das neue Smartphone, steht da: „Update erforderlich“. Dauer? „Ungefähr eine Stunde“. Für ein Bad war da schon viel zu spät am Abend. Und für ein Buch war ich zu müde. Immerhin war die Wäsche fertig. Ich hänge sie noch schnell auf. Wahrscheinlich ist sie früher trocken, als das Update erfolgreich sein wird. Ungefähr wird das schon hinkommen.