Den Aufstieg von Österreichs Fußballerinnen in die K.-o.-Runde der Europameisterschaft sahen durchschnittlich 839.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Mit der Quote erreichte ORF 1 einen Marktanteil von 41 Prozent, bei den 12- bis 49-Jährigen waren es sogar 44 Prozent. Wenn am 21. Juli das österreichische Frauen-Nationalteam auf jenes aus Deutschland trifft, kann darauf gewettet werden, dass das Spiel einen Zuschauerrekord im Frauenfußball erzielen wird. 2017 waren es beim Halbfinale der Österreicherinnen gegen Dänemark 1,21 Millionen Menschen gewesen. Alles bestens bei den Fußballerinnen? Mitnichten.
Abseits von Großereignissen hört und sieht man wenig von Frauenfußball
Abseits von Großereignissen hört man hierzulande wenig über Frauen und Fußball. Und wenn sich wie dieser Tage selbst der deutsche Kanzler einschaltet und twittert, Männer und Frauen sollten gleich bezahlt werden - das gelte auch für den Sport und besonders für Nationalmannschaften, Spanien sei in dieser Hinsicht Vorbild -, ist klar: Es gibt Handlungsbedarf.
Tatsächlich haben in Spanien Spielerinnen längst mehr Geld erstritten - und zwar für alle. In der spanischen Liga Primera Iberdrola ist der Wunsch nach einem Gehalt, von dem Frau leben kann, Realität. Nach über einjährigen Verhandlungen und einem Streik stand Ende 2019 ein Tarifvertrag, der ein Mindestgehalt von 16.000 Euro im Jahr inklusive Mutterschutz garantiert. Der Ruf nach "Equal Pay" oder einem Mindestlohn für die Fußballerinnen ist auch in Deutschland schon seit längerer Zeit deutlich zu vernehmen. Nur so kann die Entwicklung im Frauenfußball nachhaltig vorangebracht werden. Denn die Realität ist, dass anders als bei den Männern nur vereinzelt Frauen von ihrem Sport leben können. Neben einem Vollzeitjob ist es schwierig bis unmöglich, professionell zu trainieren.
Equal Pay ist in Österreich kein großes Thema
In Österreich ist das Thema Bezahlung der Fußballerinnen unterbelichtet. Jonas Puck, Leiter des Instituts für International Business an der Wirtschaftsuni Wien und Vizepräsident des Fußballclubs First Vienna FC, hat im Rahmen einer Studie ein bisheriges Fazit gezogen. Männer verdienen im Fußball 50 bis sogar 200 Mal mehr als Kolleginnen derselben Liga. Fußballverbands-Geschäftsführer Bernhard Neuhold meinte unlängst generös, "auch wenn kein Geld übrig bleibt (bei der Europameisterschaft, Anm. der Redaktion), wollen wir als Zeichen der Wertschätzung Prämien ausbezahlen", und zwar "wesentlich höhere" als bei der EM 2017. Konkrete Zahlen nennt der ÖFB keine. Dass Schweigen übers Geld vor allem den Frauen schadet, weiß man aus der Wirtschaft. Nicht umsonst wurde hier die Pflicht zu transparenten Einkommensberichten eingeführt.
Frauen sind langsamer, aber taktisch gibt es keine Leistungsunterschiede
Immer wieder wird argumentiert, dass Frauen weniger verdienten, weil ihr Spiel nicht so attraktiv sei wie jenes der Männer. Ja, Frauen sind langsamer. Laut dem Sportwissenschafter Hans-Jürgen Tritschoks ist der Fußball der Frauen etwa um ein Drittel langsamer als jener der Männer. Das ist den biologischen Gegebenheiten geschuldet. Durch die größere Muskelmasse sind die Männer in der Lage, schneller zu laufen, kraftvoller zu springen und stärker zu schießen. Beim 100-Meter-Lauf der Frauen oder beim Slalom der Frauen würde aber niemand sagen, das sei weniger attraktiv, weil Männer schneller laufen oder Ski fahren.
Gut, Fußball ist ein Spiel, bei dem es auch um Zweikämpfe geht. Doch eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln hat 2020 die Unterschiede zwischen dem Spielverhalten von Frauen und Männern genauer unter die Lupe genommen. Alle Positionsdaten wurden ermittelt, indem Spielerinnen bzw. Spieler und der Ball durch ein optisches Kamerasystem 25 Mal pro Sekunde aufgenommen wurden. Das Ergebnis: Zwischen Männern und Frauen lassen sich objektiv keine taktischen Leistungsunterschiede feststellen.
Fußball der Männer wird mit mehr Kameras gefilmt
Doch es gibt ein anderes Problem: Die Produktionsverhältnisse für TV-Übertragungen sind zwischen Frauen- und Männerfußball sehr unterschiedlich. Männerfußball wird, aufgrund seiner besseren Vermarktungsmöglichkeiten, mit bedeutend mehr Kameras gefilmt, die Zuschauer bekommen so viel mehr dynamische Schnitte zwischen den einzelnen Einstellungen zu sehen. Außerdem gibt es mehr digitale Anzeigen, mehr Zeitlupen, mehr Vor- und Nachberichterstattung. Einer der profundesten Fußball-Experten in der SN-Sportredaktion, Alexander Bischof, meinte ungefragt, das Spiel der Österreicherinnen gegen Norwegen sei "wirklich gut gewesen".
Es sind Momente wie diese, die für den Fußball der Frauen genutzt werden müssen. Momente, die eine emotionale Europameisterschaft dieser Tage bietet. Wichtig wäre es jetzt, diese Leidenschaft, diese Stimmung der Spielerinnen, die ja Vorbilder für Tausende Mädchen und junge Frauen sind, zu nutzen, damit sich Trainings-, Einkommens- und Vermarktungsbedingungen für den schönen Sport Fußball für Mädchen und Frauen verbessern - die Zuschauerinnen und Zuschauer dafür gäbe es.


