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Hillary Clinton kandidiert erst im zweiten Anlauf aufs Präsidentenamt als Frau

Vor 2008 hatte Hillary Clinton im Rennen um die Kandidatur zur US-Präsidentin die Frauenkarte bewusst nicht gespielt. Diesmal ist das anders. Aus gutem Grund.

Karin Zauner

Sollte Hillary Rodham Clinton als demokratische Kandidatin für die amerikanische Präsidentschaftswahl nominiert werden, wäre die ehemalige Senatorin von New York 95 Jahre nach Laura Clay die zweite weibliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Nach 44 männlichen Präsidenten, so könnte man meinen, wäre es endlich an der Zeit für eine Frau im wohl wichtigsten politischen Amt in dieser Welt. Aber die Dinge sind nicht so einfach.

53 Prozent der Wähler in den USA sind Frauen. Die müssten doch genug Solidarität aufbringen, ihresgleichen zu wählen. Ein Argument, das immer wieder gern Männer anführen, kombiniert mit einem süffisanten Lächeln. Nach dem Motto: Wenn nicht einmal Frauen für Frauen eintreten, dann macht bitte nicht die Männer dafür verantwortlich, ihr hättet es ja selbst in der Hand.

Tatsächlich wählen viele Frauen in Deutschland Angela Merkel entgegen ihrer eigenen politischen Überzeugung, schlichtweg nur deshalb, weil sie es gut finden, dass eine Frau Bundeskanzlerin ist und vor allem wie sie das Amt ausgestaltet. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass alle CDU-Anhängerinnen Angela Merkel wählen. Die Ressentiments gegenüber Frauen an der Macht sind nach wie vor groß, auch bei Frauen. Darüber darf man sich nicht hinwegschwindeln. Die Gründe sind vielfältig, manche halten Frauen für zu schwach, sich gegen Machthaber wie Wladimir Putin oder islamistische Terroristen durchzusetzen, andere wiederum befinden mächtige Frauen für zu wenig weiblich. Sie sehen in ihnen eine Bedrohung, weil sie ihre eigene Position infrage stellen. Warum habe ich keine Karriere hingelegt? Warum bin ich nicht so engagiert? Warum fällt mir der Alltag zwischen Kindern und Job so schwer, während andere Frauen nebenbei die Welt zu retten versuchen und dabei auch noch immer ausschauen wie aus dem Ei gepellt?

Hillary Clinton hat im Vorwahlkampf vor der Wahl 2008, als sie schon einmal Präsidentschaftskandidatin werden wollte, auf die Frauenkarte bewusst verzichtet. "Ich kandidiere nicht als Frau", hatte die stets bekennende Feministin gesagt. Das ist jetzt anders. In ihrem Video, mit dem sie vor einer Woche auf Twitter offiziell in den Ring um die Kandidatur zum US-Präsidentenamt gestiegen ist, zielt sie gezielt auf die Mittelschicht ab, aber auch gezielt auf Frauen und die ihnen zugesprochenen Themen: Kinderbetreuung, Familiengründung, Rückkehr in den Job.

Der Wandel Clintons ist erklärbar: Gleichberechtigung und gleiche Teilhabe von Männern und Frauen in der Gesellschaft sind in den USA mittlerweile ein derart starkes Thema, dass Frau Clinton nicht umhinkann, sich den Frauen im Wahlkampf zu widmen. Bei diesem Thema ist sie zudem äußerst glaubwürdig. Ihr Ausspruch bei der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, dass Frauenrechte Menschenrechte seien und Menschenrechte Frauenrechte, wurde berühmt. Mit dem Satz "Ich war schon immer Feministin" wurde sie in den vergangenen Jahren immer wieder zitiert. Sie hat auf der ganzen Welt für die Rechte von Frauen gekämpft. Dass das Wort Feministin aber auch abschrecken kann, weiß Clinton. Verstehen viele darunter doch fälschlicherweise immer noch Kampfhyänen. Clinton spielt jedoch im anlaufenden Vorwahlkampf eine ganz andere Frauenkarte. Sie spricht, und das zeigt ihr Video, Frauen aus dem Alltag an, mit ihren ganz gewöhnlichen Problemen, anstatt über gläserne Decken zu theoretisieren.

Dies passiert nicht ohne Kalkül. In den letzten Jahren sind in den USA vor allem auch viele Frauen wirtschaftlich stark unter Druck geraten. Hillary Clinton muss zudem nicht befürchten, dass ihr das Frauenthema als Schwäche negativ angelastet wird. Sie hat über Jahrzehnte gezeigt, dass sie beinhart ist. Keine Eigenschaft, die man in erster Linie Frauen zuschreibt. Die Angst, sogenannte Frauenangelegenheiten für sich persönlich zu nutzen, hat Hillary Clinton offensichtlich abgelegt. Sie spielt damit eine ihrer Stärken aus, nämlich eine starke Frau zu sein. Gut möglich, dass sie damit als Wahlkämpferin freier und authentischer agieren kann, als sie dies bisher tat und wobei man oft den Eindruck hatte, sie agiere wie ein Mann. Das würde ihr bei Frauen, aber auch bei männlichen Wählern zumindest Sympathie einbringen.