Jetzt wissen wir es also: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat eine narzisstische Erkrankung. Attestiert hat diese Selbstverliebtheitsstörung der bekannte deutsche Psychiater Hans-Joachim Maaz in einem Interview und gleich noch hinzugefügt, dass dies gefährlich für Deutschland sei. Dies alles hat der Psychoanalytiker per Ferndiagnose festgestellt, was ohnehin schon fast alles sagt. Aber eben nicht alles.
Denn hinter dem Verhalten von Maaz, der Merkels Flüchtlingspolitik, die er strikt ablehnt, jetzt durch eine Erkrankung der Politikerin erklären will, ist ein bekanntes Muster zu sehen. Frauen kennen dies aus ihrem Alltag nur zu gut. Wie schnell ist man im Job nicht ein hysterisches Frauenzimmer, wenn man nachdrücklich bei Meetings oder im Team eine andere Meinung vertritt. Eine Frau strebt konsequent nach oben? Die Gute muss sicherlich ein paar Komplexe kompensieren, heißt es. Die Chefin kritisiert andere auf fachlicher Ebene? "Mein Gott, ist die Frau schlecht drauf, sie hat wieder ihre Depressionen."
Jeder kann eine andere Meinung als die Kanzlerin, Chefin oder Mitarbeiterin haben. Aber das erlaubt niemandem, sie persönlich zu diffamieren oder ihnen gar Krankheiten zu unterstellen. Derartige Schmähkritik hat nur ein Ziel: Personen beziehungsweise ihr Tun herabzuwürdigen, anstatt sich sachlich mit der Materie auseinanderzusetzen.
Frauen sind von dieser Form der schamlosen Herabsetzung öfter betroffen als Männer. Die junge britische Feministin Laurie Penny hat für den Ton persönlicher Beleidigungen zwischen jungen weißen Frauen und alten weißen Männern (ich finde, jung und alt sind hier jederzeit und bei beiden Geschlechtern austauschbar) folgende Erklärung: "Man begreift es nur, wenn man die dumpfen Gefühle wahrnimmt, die als Symptom alter Machtstrukturen noch immer in den intimsten Augenblicken jedes Lebens aufkommen."
Weniger intim hat diese dumpfen Gefühle dieser Tage der Nationalratsabgeordnete Marcus Franz gezeigt. Er hatte Merkels Asylpolitik öffentlich mit deren Kinderlosigkeit in Zusammenhang gebracht. Jetzt ist der frühere Stronach-Mandatar auch kein ÖVP-Mandatar mehr. Merkel wird das nicht jucken. Aber den Vorwurf der Kinderlosigkeit kennen Frauen - als wäre Kinderlosigkeit ein Mangel oder gar ein Makel. "Ist ja klar, die hat keine Kinder!" Dieser Satz ist oft zu hören, wenn jemandem im Job etwas an Frauen nicht passt. Auch mir hat ein Leser, der über einen Kommentar von mir erzürnt war, geschrieben: "Sie als kinderlose Frau ohne Mann . . ." Weit gefehlt! Da hilft nur eines: Kritik nicht persönlich nehmen, vor allem nicht die, die persönlich attackiert.

