Das noch junge Jahr 2016 wird gut für Frauen. Woran wir das festmachen können? An ganz einfachen Dingen. Etwa daran, dass der legendäre Pirelli-Kalender nun zwölf Monate nicht zeigt, wofür er seit 1964 gestanden ist: für nackte oder kaum bekleidete Frauen, wahlweise in Schokolade getränkt, auf Schiefer drapiert oder mit gespreizten Beinen.
Stattdessen hat Starfotografin Annie Leibovitz Untypisches, zumindest Untypisches für eines der weltweit wertvollsten Werbemittel, fotografiert. Unter anderem "Godmother of Punk" Patti Smith (68), Künstlerin Yoko Ono (82) oder Tennisspielerin Serena Williams (34), zwar nackt, aber von hinten und mehr als Kraftwerk dargestellt denn als Sexsymbol.
Nein, diese Frauen, die allesamt vor allem durch ihre Leistungen aufgefallen sind, sagen uns nicht, dass die Marketingstrategen des Autoreifenriesen plötzlich ihre wahre Liebe für Frauen und deren Interessen entdeckt haben. Der neue Kalender zeigt vielmehr, dass lippenschürzende Frauen mit durchgedrücktem Rücken und hochgepressten Brüsten heute keinen 14-Jährigen mehr von der Spielkonsole weglocken.
Da konnten die Pirelli-Macher nur mit einem punkten: etwas Überraschendes, Unerwartetes zu tun. Es wäre aber ungerecht, den Kalender mit den tollen Fotos von herausragenden Frauen als bloßen Marketingcoup abzutun. Es ist Ausfluss dessen, dass das Thema nackte Frauen als Werbeträgerinnen für Öfen, Autos oder Reifen mittlerweile derart antiquiert ist und an den gesellschaftlichen Interessen sowie Realitäten vorbeigeht, dass es selbst Feministinnen immer schwerer fällt, überhaupt Kritik daran zu üben. Pornografie als Werbemittel ist nutzlos geworden, sie langweilt die Konsumenten und stößt sie ab. Pirelli wird daher keinen Reifen weniger verkaufen.
Der Kalender ist natürlich nicht besonders wichtig, wenngleich es die augenscheinlichen Dinge im Leben sind, die Veränderungen zeigen. Viel entscheidender für Optimismus ist, dass sich am 27. September des Vorjahres 64 Staats- und Regierungschefs sowie acht stellvertretende Kollegen geeinigt haben, konkrete und messbare Maßnahmen zu ergreifen, um Geschlechterdiskriminierung zu beseitigen. Auf dieser höchsten politischen Ebene der UNO gab es bisher nichts Vergleichbares. Einmal mehr wurde betont, dass die volle Entfaltung des menschlichen Potenzials und eine nachhaltige Entwicklung nicht möglich sind, wenn einer Hälfte der Menschheit die vollen Menschenrechte und uneingeschränkte Chancen weiter vorenthalten werden.
Tja und dann stimmt hoffnungsfroh, dass mit Elisabeth Stadler erstmals eine Frau Nummer eins in einer im österreichischen Börsenindex ATX notierten Gesellschaft ist. Sie sagt, es sei ihr wichtig, Frauen zu motivieren - vielleicht überzeugt sie ja auch ein paar Männer.

