SN.AT / Kolumne / HEVI / HEVI

Der Präsident, der ein normaler Mensch sein will

Also dass das ausgerechnet in Frankreich passieren muss! In dem Land, das über Jahrzehnte als der Inbegriff der zelebrierten Macht galt, in dem der gerade erst abgewählte Präsident sich gar nicht genug aalen konnte in der Darstellung seiner persönlichen Grandeur, ausgerechnet dort fährt jetzt ein Präsident mit der Bahn.

Viktor Hermann

Wir wissen ja nicht, ob die französische Bahn besser oder schlechter ist als die unsere, aber Mut kann man dem François Hollande nicht absprechen.

Dabei geht es nicht so sehr um den Mut, den es braucht, wenn man auf dem Weg zur Arbeit womöglich einem seiner Wähler begegnet. Vielmehr braucht es schon einiges an Rückgrat, den eigenen Sicherheitsleuten zuzumuten, dass sie auch mit der Bahn fahren müssen.

François Hollande verblüfft seine Entourage und seinen Stab im Elyséepalast, indem er auch nach seiner Wahl zum "Monsieur le Président" versuchen will, ein möglichst normaler Mensch zu bleiben. Sozusagen der "Bürger Präsident" unter anderen Bürgern.

Damit stellt der Mann etwas infrage, das vielerorts als unumstößliche Notwendigkeit betrachtet wird: das massive Sicherheitsaufgebot, mit dem Politiker in aller Welt leben müssen oder dürfen. Mancher mag es ja als Symbol für seinen außergewöhnlichen Status betrachten, dass er keinen Schritt gehen kann, ohne zwei, drei, vier schwer bewaffnete Revolvermänner um sich zu haben.

Anderen mag längst bewusst sein, dass sie mit dem enormen Sicherheitsaufgebot eine Mauer aufgezogen haben, die sie deutlich von jenen Bürgern trennt, in deren Auftrag sie tätig sind. So wie der Papst selbst auf dem Petersplatz in Rom hinter schusssicherem Glas seinen Schäfchen zuwinkt, seit vor 31 Jahren dort ein Attentäter versucht hat, Johannes Paul II. zu ermorden.

Papst oder Politiker - sie alle entfernen sich ein Stück von den "normalen" Menschen, indem sie sich aus Sicherheitsgründen distanzieren und mit harten Burschen umgeben. Und keiner fragt, ob all das denn noch zeitgemäß und in diesem enormen Ausmaß wirklich notwendig sei.

Vielleicht halten Politiker in etlichen Ländern das Volk auch ganz gern auf Distanz und ziehen es vor, ihrem Tagwerk hinter einem Paravent nachzugehen, der sie vor neugierigen Blicken schützt. So betrachtet ist der Anlauf, den der französische Präsident jetzt unternimmt, unerhört wichtig. Wenn es François Hollande gelingt, ein normales Leben zu führen, obwohl er der Präsident der Grande Nation ist, dann werden andere diesem Beispiel womöglich noch folgen müssen.