Es wundert niemanden in der zivilisierten Welt, die sich offenbar außerhalb Russlands befindet, dass ein lupenreiner Tyrann wie Wladimir Putin Kritiker am liebsten ins Gefängnis sperrt. Wer den Werdegang des Mannes kennt, wer weiß, dass er aus jener Agentenschule kommt, die Massenmörder wie Felix Dserschinsky zu ihren Urvätern zählt, den wundert nichts. Auch nicht, dass drei junge Frauen mit stalinistischen Methoden verfolgt werden.
Was aber verwundern muss, ist die Komplizenschaft, zu der die russisch orthodoxe Kirche bereit ist. Die Kirche fühlt sich von den Frauen angegriffen, weil sie ihren Protestsong gegen Putin in einer Kirche erklingen ließen. Ja, der Patriarch Kyrill spricht sogar davon, dass hier "der Teufel im Spiel" sei. Kein Wunder also, dass gerade aus orthodoxen Kirchenkreisen Druck auf die russische Justiz ausgeübt wird, man möge die drei Sängerinnen doch möglichst hart bestrafen.
Kyrill und seine Kirchenmänner haben wohl noch nie von der Trennung zwischen Kirche und Staat gehört, die in der zivilisierten Welt herrscht. Er weiß offenbar auch nicht, dass er sich mit dieser Haltung zum Handlanger einer Diktatur macht, die freie Meinungsäußerung nicht dulden will. Er hilft dabei, jeden, der das Menschenrecht auf eine eigene, nicht von Staat oder Kirche vorgegebene Meinung in Anspruch nimmt, zu kriminalisieren und zu drangsalieren.
Diese seltsam unmenschliche Haltung einer Kirche, die sich auf einen Mann beruft, dessen Botschaft Nächstenliebe und Vergebung heißt, erklärt sich aus der Geschichte hängt. Die orthodoxe Kirche in Russland schloss nach dem Sturz des kommunistischen Systems wieder dort an, wo sie vor der Oktoberrevolution stand: Sie hat wieder Einfluss und Privilegien wie unter den Zaren.
Wladimir Putin benutzt die Kirche als Instrument seiner Macht. Und die Kirche, vornehmlich der Patriarch Kyrill, lässt sich gerne benutzen. Das mag mit persönlichen Eitelkeiten zusammenhängen oder mit persönlichem Profit. Denn die orthodoxen Geistlichen verschreiben sich sichtlich weniger dem Dienst an den Armen und Bedürftigen (eigentlich auch ein Auftrag des Religionsgründers) als dem persönlichen Vorteil, den man aber nicht gerne öffentlich zur Schau stellt.
Man erinnere sich an die Peinlichkeit, als ein Foto des Patriarchen Kyrill veröffentlicht wurde. Eine teure Uhr am Handgelenk des Kirchenfürsten war wegretouchiert worden - sie war aber als Spiegelbild auf der polierten Tischplatte zu sehen. Wer weiß, war das ein Geschenk des neuen Zaren im Kreml?