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Identitäre demonstrieren "Verbundenheit" mit Europas Kultur

Wer das Abendland gegen allerlei Böses verteidigen will, sollte seine eigenen moralischen Standards überprüfen.

Viktor Hermann

Im Mittelmeer blieb am vergangenen Wochenende ein Schiff namens C-Star mit einem Maschinenschaden manövrierunfähig vor der libyschen Küste liegen. Die Mannschaft des Schiffes lehnte es ab, sich von anderen Schiffen helfen zu lassen - man könne das Problem selbst lösen, hieß es. Das wäre ein eher bedeutungsloser Vorgang, wäre da nicht die Gruppe, die das Schiff betreibt: die Identitäre Bewegung, die mit der C-Star versuchen wollte, Flüchtlinge im Mittelmeer abzufangen und wieder nach Nordafrika zurückzubringen. Die wollten sich halt nicht von Leuten helfen lassen, die das Leben von Flüchtlingen retten.

Die Identitären nennen sich "Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität". Die Gruppe ist rechtsextrem und wird vom deutschen Verfassungsschutz aufmerksam beobachtet. Sie tut so, als müsse sie eine geschlossene europäische Kultur gegen die Islamisierung verteidigen.

Jetzt sind die Identitären also unterwegs, um im Stil einer selbsternannten Bürgerwehr Menschen auf dem Meer aufzugreifen. Das tun sie ohne demokratische Legitimation, ohne ein Mandat für exekutive Gewalt, dafür aber unter recht zweifelhaften Bedingungen.

Ausgerechnet die selbsternannten Hüter der europäischen Kultur sind unterwegs auf einem Schiff, das unter mongolischer Flagge fährt. Also man hätte schon erwartet, dass gerade Leute, die so sehr auf europäische Identität setzen, nicht ausgerechnet bei den Mongolen Hilfe suchen. Deren Beitrag zur Entwicklung der alten europäischen Kultur in der Geschichte ist nicht gerade überragend positiv. Wollen also die Identitären statt der Islamisierung eine Mongolisierung erreichen?

Und dann ist da noch ein Zwischenfall auf Zypern. Die türkisch-zypriotischen Behörden nahmen den Kapitän und einige Besatzungsmitglieder kurzfristig fest. Der Grund: An Bord des Schiffes traf man eine Gruppe von Tamilen aus Sri Lanka an. Auch nicht gerade die Crew, die man von treudeutschen Recken mit europäischer Gesinnung erwarten würde. Die Entschuldigung, dass diese Tamilen ein Ausbildungsprogramm ausgerechnet auf einem Schiff der Identitären absolvieren wollten, klingt eigenartig. Was sollen die da lernen - dass die europäische Kultur vor fremden Einflüssen geschützt werden muss?

Vielleicht muss man doch ein wenig über die Namensgebung der Identitären nachdenken. Da sie sichtlich in den Augen des deutschen Verfassungsschutzes wert sind, ständig beobachtet zu werden, da sie arrogant für sich beanspruchen, sie könnten Flüchtlinge auf dem Meer aufgreifen und abtransportieren, sollte man sie vielleicht "Identitäter" nennen, statt Identitäre.