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Von der Grundlinie stracks ins Unterirdische

Viktor Hermann

So mancher Wanderprediger fasziniert sein Publikum mit Sätzen, die den Eindruck von Tiefe vermitteln, aber in Wirklichkeit gar nichts sagen. Da fallen Sätze wie: "Jede schwierige Situation, die Du jetzt meisterst, bleibt Dir in der Zukunft erspart" oder "Hoffnungslosigkeit ist ein echter Grund für Misserfolg". Der gelernte Österreicher reagiert darauf mit einem Wort, das der Rest der deutschsprachigen Welt nur schwer versteht: No na! Sozialwissenschafter und Sprachforscher sprechen dagegen von "Redundanz" und meinen damit, dass solche Sätze keinerlei bedenkenswerte Information enthalten und deshalb flüssiger sind als Wasser - nämlich überflüssig.

Die beiden vorhin genannten Zitate stammen von einem Mann, der demnächst Österreich heimsuchen und mit vielen, vielen Redundanzen überschwemmen wird: der Dalai Lama.

Wo immer das geistliche Oberhaupt der Tibeter hinkommt, liegen ihm die Menschen zu Füßen, andächtig lauschen sie seinen Worten und kümmern sich keinen Deut darum, dass da nicht viel mehr rauskommt als No-na-Weisheiten.

Dieser Erfolg hat offenbar jene beeindruckt, die mit einer gewissen Verzweiflung versuchen, unser aller Vizekanzler möglichst populär zu machen, ihm eine Aura zu verleihen, die er nicht hat. Also empfahlen sie ihm, eine Rede an die Nation zu halten, die nichts enthält als Selbstverständlichkeiten. Er proklamiert als die zehn zentralen Werte der Volkspartei Ehrlichkeit und Anstand, Vertrauen und Respekt, Verantwortung, Tatkraft und Fleiß, Offenheit und Zusammenhalt sowie Freiheit.

Wow, da ist uns aber der Mund offen geblieben. Denn Michael Spindelegger hat das gelobt, was jedem Kind schon vor der Volksschule eingetrichtert wird: Sei brav und anständig, dann wird alles gut. Also kann er gar nicht danebenliegen. Denn diese zehn Werte gehören zum Kanon des Bürgers, sobald er einmal die Flegeljahre hinter sich gebracht hat.

Kluge Menschen erkennen darin Spindeleggers raffinierte Taktik, auf der Grundlinie der Volkspartei zu spielen. Das will heißen: Keine Experimente, keine neuen Wählerschichten, keine großen gesellschaftlichen Entwürfe. Stattdessen politisches Biedermeier bis zum Abwinken.

Allerdings sollte irgendjemand, dem das Wohl der Volkspartei als eine staatstragende Säule unseres politischen Systems am Herzen liegt, darüber nachdenken, dass mit der Befriedigung einer schrumpfenden Kernwählerschaft kein Staat zu machen ist. Da besteht die Gefahr, dass das Ganze von der Grundlinie abrutscht ins Unterirdische.