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Wahlrecht nur in der Heimat, in der man auch lebt

Bei Wahlen sollen die Menschen über die Politik dort entscheiden, wo sie leben, nicht in dem Land, das sie verlassen haben.

Viktor Hermann

Derzeit stehen in vielen europäischen Ländern Türken Schlange vor Konsulaten, um beim Referendum über die türkische Verfassung über die Politik in einem Land abzustimmen, das sie vor vielen Jahren, oft Jahrzehnten, verlassen haben. Ja viele, die sogenannten Türken der zweiten und dritten Generation, kennen die Türkei allenfalls aus dem Urlaub und weil sie dort Verwandte haben, sie haben aber niemals dort gelebt.

Nun ist vor einigen Tagen eine heftige Debatte darüber ausgebrochen, ob in Österreich womöglich Türken mit einer illegalen Doppelstaatsbürgerschaft (einer österreichischen und einer türkischen) zu den Urnen strömen. In Deutschland geschieht das ganz offen. Dort dürfen Türken, die in Deutschland leben und dort ihren Lebensmittelpunkt haben, durchaus zwei Pässe besitzen und folglich auch sowohl in Deutschland als auch in der Türkei per Wahl am politischen Prozess teilnehmen.

Mancherorts fordern Politiker nun, man dürfe nur eine Staatsbürgerschaft und damit nur einen Pass haben. Die Diskussion erhitzt sich damit am falschen Objekt. Denn es hat für Menschen durchaus Sinn, zwei Pässe zu haben, wenn sie zwar im Land A leben, aber enge familiäre Bindungen zu Land B haben. Es erleichtert die Einreise zum Verwandtenbesuch, es hält noch immer eine gewisse Bindung an die alte Heimat oder die alte Heimat der Eltern oder Großeltern aufrecht.

Zugleich aber müsste man Einwanderern schon nach ein paar Jahren klarmachen, dass sie nur dort wählen dürfen, wo sie tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt haben. Die Briten haben uns das vorgemacht. Zum Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union waren nur Briten zugelassen, die auch tatsächlich im Vereinigten Königreich leben. Wer seit Langem im Ausland lebt, durfte nicht teilnehmen.

Der Sinn einer solchen Regelung erschließt sich aus dem Kern demokratischer Prozesse. In Wahlen überträgt die Bürgerschaft Politikern die Verantwortung für das Land, in dem sie leben. Auf diese Weise organisieren sie den politischen Rahmen, in dem sie selbst agieren, und entscheiden somit über die Bedingungen, unter denen sie selbst leben. In einem Land am politischen Prozess teilzunehmen, in dem allenfalls einmal die Vorfahren gelebt haben, ist unsinnig und unlogisch. Ein Österreicher mit türkischer Abstammung, der sein ganzes Leben in Österreich gelebt hat, sollte hier am politischen Prozess teilnehmen, ein US-Bürger österreichischer Abstammung wählt ja auch in den USA den Präsidenten und nicht in Österreich. Das wäre auch ein wichtiger Schritt hin zur Integration in die Gesellschaft, in der man lebt. Dann wird das Gastland zur Heimat.