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20 Jahre EU: Der Alltag ist eingekehrt - und der ist gut

In absoluten Zahlen gemessen brachte die Gemeinschaft bis heute kumuliert 63 Milliarden Euro mehr Wohlstand in unserem Land.

Marianne Kager

Am 12. Juni 1994 haben sich zwei Drittel der Österreicher für einen Beitritt zur EU entschieden. Ein Anlass, Bilanz zu ziehen. Die Euphorie ist verflogen, der Alltag eingekehrt. Und wie immer im Lauf der Geschichte gibt es nicht nur Sonnenschein, sondern auch Unwetter und Sturm.

Aber trotz allem, Österreichs Schritt in die europäische Integration war richtig, auch wenn es immer wieder viel Kritik an der EU gibt, sei es die "Regulierungswut" der Kommission oder der Einfluss wichtiger Lobbys.

Doch auch die nationalen Politiker agieren hier nicht immer redlich. In Brüssel "Ja" sagen und zu Hause alles Unpopuläre auf Brüssel schieben ist ein unfaires Spiel. Denn zum einen funktioniert eine Gemeinschaft nur mit Kompromissen und Solidarität, und zum anderen ist nicht gesagt, dass eine unpopuläre Maßnahme nicht auch national ohne EU und Brüssel getroffen werden müsste. Außerdem können angesichts der weltweiten Globalisierung die Staaten Europas nur durch gemeinsames Handeln Stärke beweisen. Wenn man das Demokratiedefizit in der EU beklagt, dann liegt es doch an den Regierungen der Mitgliedsstaaten, dieses abzubauen und dem Parlament mehr Befugnisse einzuräumen. Ebenso liegt es auch an der EU-Kommission und dem europäischen Parlament, wie viel Lobbyismus sie zulassen.

Was Österreich betrifft, so war der Schritt in die EU und damit in die europäische Integration von Erfolg begleitet. Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung hat jüngst in einer Studie berechnet, dass für Österreich die europäische Integration jährlich ein zusätzliches Wachstum von 0,9 Prozentpunkten gebracht hat. In absoluten Zahlen sind das bis heute kumuliert 63 Mrd. Euro mehr Wohlstand in unserem Land. Österreich hat die Herausforderung angenommen und gewonnen. Die Leistungsbilanz, wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit und früher immer defizitär, weist seit 2001 einen Überschuss aus (durchschnittlich 2000-2013 2,4% des BIP pro Jahr). Dagegen machen sich die Nettozahlungen an die EU bescheiden aus. Sie betrugen zwischen 1995 und 2012 0,23% des BIP.

Natürlich kann man an der EU auch Kritikpunkte festmachen. Aber die Vorteile überwiegen. Nehmen wir die Forschung. Österreich nimmt an über dreitausend gemeinsamen EU-Forschungsprojekten teil. Dass die Rückflüsse von EU-Mitteln 125 Prozent der von Österreich eingebrachten Gelder ausmachen, ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt. Viel wichtiger ist jedoch, dass dadurch Österreichs Wissenschafter an dem gesamteuropäischen Stand der Forschung partizipieren können.

Oder ein anderes Beispiel: Die Exporte der Lebensmittelindustrie sind seit dem EU-Beitritt um 465 Prozent von 0,9 Mrd. Euro auf 5,4 Mrd. Euro gestiegen, ihre Exportquote stieg von
17 auf über 60 Prozent. Ohne EU-Mitgliedschaft gäbe es ein kontingentiertes Agrarhandelsregime. Und was das für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie bedeuten würde, wissen wir aus der Vergangenheit.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und auch in der Europäischen Union gibt es reichlich Verbesserungsbedarf. Es liegt aber an den Mitgliedsstaaten, diese herbeizuführen. Österreich ist mit seiner Entscheidung vor zwanzig Jahren den einzig richtigen Weg gegangen und hat dadurch enorm profitiert. Es ist heute in Kaufkraftparitäten gemessen nach Luxemburg das zweitreichste Land der EU. Und das hat sich wohl 1994 kaum jemand erträumt.