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Austritt, Bankrott oder noch ein Hilfspaket?

Griechenland wählt: Statt Polemik wären realistische Lösungen gefragt.

Marianne Kager

Griechenland wählt kommenden Sonntag und die Diskussion um einen Ausstieg aus der Eurozone und eines folgenden Staatsbankrotts oder weiteren Hilfspaketes inklusive Schuldenerlass seitens der Europartner sind voll in Gang. Dabei wird vor allem mit Vorurteilen argumentiert. Dass Griechenland trotz rigoroser Sparprogramme seine Schuldenkrise noch nicht überwunden hat, ist unbestritten. Statt zu polemisieren, wäre es angebracht, über realistische Lösungen nachzudenken. Manche politische Kommentatoren glauben - Stichwort Grexit -, dass bei einem Sieg der "Linken" die neue Regierung ein Moratorium erklären und EU und Eurozone verlassen wird. Warum sollte das eine griechische Regierung - egal aus welchen Koalitionspartnern sie besteht - wollen? Sie würde die Probleme nur verschlimmern. Vielmehr kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bekannte Gegner der Währungsunion diese Variante unter dem Vorwand, es wäre für Griechenland gut, lancieren, um die Eurozone zu schwächen.

Denn würde Griechenland den Euro verlassen und zur Drachme zurückkehren, käme es zunächst zu einer enorm starken Abwertung der griechischen Währung. Würde Griechenland dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangen, wie es Hans-Werner Sinn, der deutsche Apologet der Eurogegner, gern behauptet? Mitnichten! Es sind nicht die Kosten, derentwegen es in Griechenland nach wie vor keine konkurrenzfähige Industrie gibt. Die Stundenlöhne belaufen sich auf 6,30 Euro und sind nach Lettland und Litauen die niedrigsten der Eurozone. Es sind die Strukturen, die geändert werden müssen. Und das wird umso schneller passieren, je größer der Druck der anderen Euroländer und der Troika ist. Austritt und Abwertung lösen auch nicht das Verschuldungsproblem. Das würde, da der Schuldendienst in Euro zu entrichten ist, noch drückender, es käme zwangsläufig zur Zahlungsunfähigkeit Griechenlands. Die betroffenen Gläubiger sind zu 80 Prozent (260 Mrd. Euro) Staaten und staatliche Fonds (Währungsfonds und Europäischer Rettungsschirm), letztlich würde also der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Eine Horrorvorstellung für jeden Politiker.

Ist Griechenland nicht mehr Mitglieder der EU/Eurozone und damit von deren Märkten abgeschnitten, bekommt es mangels Bonität und Glaubwürdigkeit keine Finanzierung, fällt in eine tiefe Rezession, und kann die notwendigen Reformen erst recht nicht finanzieren. Soziale Unruhen und politische Instabilität wären die Folge, zudem wäre die Eurozone in Ihrer Glaubwürdigkeit schwerstens beschädigt.

Die Alternative? Wie immer die Wahlen ausgehen, die griechische Regierung und die EU/Euroländer werden verhandeln müssen. Eine Lösungsvariante wäre die Laufzeit der bestehenden Kredite (195 Mrd. Euro) um zehn Jahre zu verlängern. Die abgezinste Ersparnis dieser Maßnahmen für Griechenland wird von der renommierten Denkfabrik Bruegel auf 12,6 Prozent der Wirtschaftsleistung geschätzt. Das wäre wirkungsvolle Hilfe, würde den Spielraum für das griechische Budget erhöhen und Geld für Strukturreformen freimachen. Den EU- und Eurostaaten würden diese Maßnahmen keine weiteren direkten Kosten verursachen. Es wäre eine bessere Alternative, als Austritt und Rückkehr zur Drachme, die die Steuerzahler bis zu 200 Mrd. kosten könnte.