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Es fehlt der politische Mut

Ob EU, Notenbanken oder Forschungsinstitute - alle haben ihre Wachstumserwartungen für die Eurozone zurückgenommen. In der Eurozone rechnet man für 2014 nur mehr mit einem Miniwachstum von unter einem Prozent. Für 2015 sind die Prognosen nicht viel besser.

Marianne Kager

Und das, obwohl sich die Weltwirtschaft gar nicht so schlecht entwickelt, die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar die Exportwirtschaft zusätzlich stützt und der stark gesunkene Ölpreis den Konsumenten mehr Spielraum für andere Ausgaben lassen sollte.

Was tun, um die Wirtschaft in der Eurozone auf Wachstumskurs zu bringen? Die einen, wie die Europäische Zentralbank, gehen an die Grenze ihrer Möglichkeiten. Die EU-Kommission versucht es, soweit man sie lässt, andere würden gern, dürfen aber wegen des Stabilitätspakts nicht, und dann gibt es die, die könnten, es aber nicht tun - wie Deutschland.

Die EZB kann mit Zinssenkungen die Wirtschaft nicht mehr stimulieren. Das nominelle Zinsniveau ist an der Nulllinie angekommen. Sie versucht es nun mit Anleihekäufen (von Staaten und Unternehmen). Im Jahr 2015 will die EZB so 1000 Mrd. an zusätzlichem Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen. Damit übernimmt sie indirekt das Risiko anderer wirtschaftlicher Akteure. Die Notenbank sieht sich zu dieser Lockerung der Geldpolitik (Quantitative Easing) gezwungen, weil sie in ihrem Kampf gegen die Rezession seit Jahren von den Mitgliedsstaaten alleingelassen wird. Schier unmöglich wird der Kampf dann, wenn die Wachstumsimpulse der Notenbank - wie es Zinssenkungen sein sollten - durch eine vom Stabilitätspakt vorgegebene Sparpolitik der öffentlichen Haushalte konterkariert werden.

Nehmen wir die 300-Mrd.-Euro-Investitionsinitiative von Jean-Claude Juncker: klingt gut und nach viel. Aber leider entpuppt sie sich nur als ein "Programmchen". Die Mittel, die die Kommission tatsächlich einzusetzen gedenkt, sind mit 21 Mrd. Euro gering. Die Annahme, damit über drei Jahre ein Investitionsvolumen von 300 Mrd. Euro auszulösen, ist mehr als optimistisch. Ein umfassenderes Konjunkturprogramm scheiterte am Widerstand einiger Mitgliedsstaaten, vor allem Deutschlands.

Man hätte es auch anders machen können, etwa durch die Ausgabe von Eurobonds (also einer gemeinsamen Anleihe aller EU- oder Euroländer), die ausschließlich zur Finanzierung privater und öffentlicher Infrastrukturinvestitionen in den Mitgliedsstaaten dient. Auswahl, Verteilung und Kontrolle der Verwendung der Mittel erfolgten über die Europäische Investitionsbank. Die Verzinsung wäre abgestuft nach der Bonität der Schuldner und Art des Projekts. Sollte der Schuldner die öffentliche Hand sein, werden diese und nur diese Schulden nicht in die Berechnung der öffentlichen Verschuldung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingerechnet. Die Investitionen würden die Konjunktur beleben, man könnte die europäische Infrastruktur fit für 2020 machen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Um ein solches Programm durchzuziehen, wären politischer Mut in den Mitgliedsstaaten nötig und die Einsicht, dass in einer Wirtschafts- und Währungsunion das gemeinsame Bekämpfen der Krise für alle mehr Wachstum bringt als nationale Alleingänge.