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Die EU hat zu viele Probleme

Ukraine-Krise, Griechenland, Brexit, die Flüchtlingsflut und Entsolidarisierung.

Marianne Kager

Die Ukraine-Krise ist nicht nur politisch brandgefährlich, sondern auch wirtschaftlich sehr teuer. Man soll sich keiner Illusion hingeben: Die Sanktionen gegenüber Russland schaden Russland und der europäischen Wirtschaft. Und sie kosten die EU und damit die europäischen Steuerzahler sehr viel Geld. Das Ukraine-Hilfspaket macht elf Milliarden Euro aus, und das ist erst der Anfang. Die Ukraine wird noch viele Hilfsmilliarden verschlingen, denn Putin wird den Konflikt so lang am Köcheln halten, bis man die Annexion der Krim anerkennt. Im Fall des Krisenherds Griechenland ist der aktuelle Stand der Verhandlungen ziemlich aussichtslos. Die Schuld liegt wie oft auf beiden Seiten. Nicht nur die griechische Regierung hat mit ihrem Taktieren den Bogen überspannt. Die Gegenseite hat mit dem Beharren auf unerfüllbaren Auflagen ihren Anteil an der ausweglosen Situation. Forderungen wie etwa weitere Kürzungen im Pensionssystem sind absurd, wenn der überwiegende Teil der Pensionisten in Griechenland an oder unter der Armutsgrenze lebt.

Das Tragische an der Geschichte ist, dass beim Scheitern der Verhandlungen beide Seiten nur verlieren können. Bisher wurden mit EU-Steuergeldern die Gläubigerbanken, vornehmlich die aus Deutschland und Frankreich, ausgekauft. Dieses Geld ist bei einem Scheitern der Gespräche für immer verloren. Und Griechenland würde im Fall des Ausscheidens aus dem Euroraum und der EU zum Armenhaus Europas, soziale wie politische Unruhen wären programmiert. Zu hoffen ist daher, dass doch noch ein Deal zustande kommt.

Großbritannien war gegenüber der EU immer ein Rosinenpicker, davon zeugen der Briten-Rabatt und Opting-out-Klauseln (etwa für den Schengenraum und bei der Grundrechte-Charta). Nun geht es aber um mehr. Großbritannien stellt einen Grundpfeiler des EU-Vertrags - die Personenfreizügigkeit - infrage. Hier substanziell nachzugeben würde das Ende der EU einleiten. Auch auf der Insel weiß man, dass man in Grundsatzangelegenheiten nur mit marginalen Zugeständnissen rechnen kann. Daher wird man versuchen, in anderen Bereichen zu reüssieren. Eines der Ziele könnte ein Entgegenkommen der EU gegenüber britischen Wünschen betreffend des Transatlantischen Handelsabkommens (TTIP) sein. Das ginge nicht nur zulasten der Konsumenten, sondern auch der mittelständischen Wirtschaft. Das ist keine gute Perspektive.

Am stärksten zeigt sich der zunehmende nationale Egoismus am Flüchtlingsproblem. Die Tragödie im Mittelmeer führt das täglich vor Augen. 2014 kamen mehr als 200.000 Flüchtlinge übers Mittelmeer, allein 170.000 landeten in Italien, der Rest in Griechenland und Malta. Heuer werden es noch mehr sein. Selbst der äußerst bescheidene Vorschlag der EU-Kommission, 36.000 Bootsflüchtlinge per Quotensystem auf alle EU-Länder zu verteilen, führte bei den Mitgliedsstaaten zur Empörung. Der Umgang mit den Flüchtlingen führt uns zu einem Kernproblem der EU: Die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten wird immer geringer und entfernt sich immer weiter von den Grundwerten des EU-Vertrags. Wenn die EU nicht scheitern soll, ist daher eine Rückbesinnung dringend notwendig.