Der scheidende EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso machte kürzlich eine sehr richtige Bemerkung indem er meinte: "Die Menschen haben den Eindruck, dass sie nicht mehr kontrollieren können was passiert" - Anmerkung, was in der EU passiert. Wie recht er hat. Nur leider hat gerade die Kommission unter seiner Führung Transparenz und Information sträflich vernachlässigt. Bestes Beispiel dafür ist das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA. Dabei geht es hier weniger um Zölle als um die Angleichung von Normen und Standards in Bereichen wie Arbeitsrecht, Finanzdienstleistungen, öffentliche Daseinsvorsorge (Krankenanstalten), Datenschutz, Lebensmittelrecht oder Zulassungsbestimmungen von Chemikalien und Pharmazeutika. "Schrittweise Verwirklichung der Kompatibilität der Regulierungssysteme" steht dazu im Verhandlungsmandat der EU.
Ziel dieses Freihandelsabkommen ist es , die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt enger miteinander zu verbinden. Die Befürworter erhoffen sich mehr Wachstum. Ein Irrglaube, denn selbst die Studien der EU ergeben lediglich ein Wachstumsplus unterhalb der Wahrnehmungsgrenze von 0,05 Prozent.
Und obwohl davon 800 Millionen Bürger betroffen sind, wird im Geheimen verhandelt. EU Parlamentarier, nationale Regierungen und die Zivilgesellschaft erhalten - wenn überhaupt - nur sporadische Informationen. Nach Protesten des EU-Parlaments und zahlreicher Nicht-Regierungsorganisationen hat die Kommission eine "Transparenz-Initiative" angekündigt.
Doch wie schaut diese aus? Man hat einen "Leseraum" eingerichtet, zu dem wenige ausgewählte EU Parlamentarier Zugang haben. Nur Notizen über das, was dort in hunderten von Seiten an Entwürfen und Verhandlungsprotokollen zu lesen ist, dürfen sie sich nicht machen. Unmöglich, auf diese Weise einen fundierten Überblick über den Verhandlungsstand und die Verhandlungspositionen zu erlangen. Das schafft Misstrauen.
Und das wenige, das bisher an die Öffentlichkeit drang, zeigt, dass Misstrauen angebracht ist. Zu Recht erregt die Frage der Zulassung von Chlorhühnern, genmanipulierter Lebensmittel oder Fracking als Fördermethode für Öl und Gas derzeit die Öffentlichkeit. Doch das ist bei weitem nicht alles. So ist etwa der Umgang mit hochgefährlichen Stoffen in den USA viel laxer als in der EU. Müssen hierzulande die Produzenten, um eine Zulassung zu erhalten, die Unbedenklichkeit ihres Produktes beweisen, so muss in den USA die Behörde den Beweis für die Bedenklichkeit eines Produktes erbringen. Bei Datenschutz wiederum fordern die USA den "ungehinderten Datenaustausch ohne übermäßige Behinderung". Aber bitte was ist eine "übermäßige Behinderung"?
Ein besonders heikler Punkt sind Investitionsschutzabkommen. Diese erlauben ausländischen Konzernen, Staaten vor nicht öffentliche Schiedsgerichte zu zerren, wenn sie sich in ihren Geschäftspraktiken behindert fühlen. Im Endeffekt konterkarieren solche Abkommen die Gesetzgebung nationaler Staaten. Der ursprüngliche Zweck, Schutz vor Enteignung in Entwicklungsländern mit unzureichenden Rechtssystemen ist längst pervertiert. Details zu Zweck, Funktion und Wirkung von Investitionsschutzabkommen lesen Sie in der nächsten Kolumne in zwei Wochen.