An erster Stelle stehen die Konstruktionsfehler der Eurozone, die zuließen, dass es überhaupt zu so einer enorm hohen Verschuldung kam. Zweitens haben das den Griechen verordnete Sparprogramm und die von den Europartnern geforderten Primärüberschüsse im Budget jegliches Wirtschaftswachstum abwürgt. Drittens hat Griechenland bis heute keine grundlegenden strukturellen Reformen durchgeführt.
Viertens hat die mittlerweile abgewählte Regierung der Nea Dimokratia zwar anzuerkennende Sparleistungen vollbracht, die aber vorwiegend Niedrigverdienern (ihre Einkommen sanken um 86 Prozent) und dem Mittelstand aufgebürdet wurden, während die finanziellen Eliten verschont wurden (minus 20 Prozent).
Die Folge: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stürzte ab und die Wirtschaftsleistung sank um ein Viertel, die Arbeitslosenrate stieg auf fast 30 Prozent. 1,3 Millionen Menschen haben weder Arbeitslosen- noch Krankenversicherung und trotz allen Sparens stiegen die Staatsschulden von 110 auf 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Steuersystem in Griechenland liegt im Argen, ungerechtfertigte Steuerprivilegien, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind nach wie vor an der Tagesordnung. Das Pensionssystem krankt nicht an der Höhe der Pensionsleistungen, sondern an der Ineffizienz in der Leistungskontrolle.
Der neuen linken Regierung ist zuzustimmen, dass die von den Europartnern geforderten Budgetüberschüsse die Rezession perpetuieren und in die Verarmung führen. Sie hat es aber nicht geschafft, eine Gesprächs- und Vertrauensbasis mit den Geldgebern zu schaffen. Verhandlungen auf Regierungsebene sind kein Kindergarten, konkrete Vorschläge und Handschlagqualität sind gefordert. Den Grexit will niemand, er wäre für die Euroländer zu verkraften, aber für viele Griechen würde er noch größere Armut bedeuten. Die nun angepeilte Einigung (Steuererhöhungen, Eingriffe ins Pensionssystem, Kürzung der Verteidigungsausgaben, Beiträge zum Gesundheitssystem) wird von kurzer Dauer sein, wenn es nicht gelingt, die grundlegenden Probleme Griechenlands und der gesamten Währungsunion zu lösen.
Was Griechenland betrifft, muss das Land endlich strukturelle Reformen angehen. Das betrifft erstens die Korruption und Vetternwirtschaft und damit einhergehend eine grundlegende Bürokratie- und Justizreform. Zweitens müssen die überbordende Regulierung der Märkte durch den Staat reduziert, die Steuerprivilegien abgeschafft und eine effiziente Steuerverwaltung aufgebaut werden.
Die Eurozone wiederum muss sich endlich eingestehen, dass eine Währungsunion ohne ein Minimum an politischer Union nicht dauerhaft ist. Hoffnung gibt der Vorschlag der Präsidenten von fünf EU-Institutionen (Kommission, Rat, Parlament, EZB und Eurogruppe).
Er stärkt nicht nur die Rolle des Eurogruppenchefs, er sieht auch mehr Verbindlichkeit für die Ergebnisse der Überprüfung makroökonomischer Ungleichgewichte für die Mitgliedsstaaten vor. Last but not least muss sich Europa entscheiden, ob es weniger Austeritätspolitik und mehr Wachstumsinitiativen zur Bekämpfung der Schuldenkrise anstrebt.