Der Stresstest hat in den vergangenen Monaten die Nerven vieler Bankmanager in Europa ganz schön strapaziert. Seit vergangener Woche ist das vorbei. Die Ergebnisse des Stresstests haben zwar den Aktienkurs einzelner Bankaktien beeinträchtigt, doch das befürchtete Unwetter ist ausgeblieben. Von den Banken, die durchgefallen sind, haben zirka die Hälfte ihren Kapitalmangel mittlerweile behoben. Übrig bleiben 13 Banken, die zu wenig Eigenkapital haben und dieses nun innerhalb von neun Monaten aufbringen müssen.
Also ein Sturm im Wasserglas? Nein. Denn dieser Stresstest ist mehr als die Überprüfung der Eigenkapitalausstattung der Banken. Er ist der Beginn der einheitlichen Beaufsichtigung der Großbanken durch die Europäische Zentralbank. Standortvorteile, die sich bisher wegen national unterschiedlicher, manchmal lockerer Interpretation der EU-weiten aufsichtsrechtlichen Vorschriften ergaben, werden so minimiert. Das erhöht nicht nur Transparenz und Vergleichbarkeit der Bankbilanzen, sondern macht auch das "Lobbying zu Hause" für die eine oder andere Auslegung zunichte.
Dass es hier bisher durchaus Unterschiede gab, zeigt auch der Stresstest. So gibt es bei der wichtigsten aufsichtsrechtlichen Bankkennzahl, der Kernkapitalquote (Verhältnis des Eigenkapitals im engeren Sinn zu den gewichteten Aktiva) erhebliche Abweichungen zwischen den von Banken in den Bilanzen 2013 angegebenen und der für den Stresstest errechneten Quote. Dafür sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Wie gut ist die Risikoeinschätzung der Bank selbst und wie streng ist die nationale Aufsicht? Es gibt Länder, bei denen es fast keine Abweichung zwischen der von Banken angegebenen und der von der europäischen Aufsicht errechneten Kernkapitalquote gibt. In anderen Ländern sind die Abweichungen beachtlich und das nicht nur bei sogenannten Problembanken. Ganz geringe Abweichungen gibt es in Spanien und Frankreich, tolerierbare in Deutschland. In Österreich ist das Bild gemischt. Bei Erste Group und Raiffeisen ist die in der Bilanz ausgewiesene Kernkapitalquote um rund zehn Prozent höher als die beim Stresstest errechnete. In Italien gibt es bei Problembanken sehr hohe Abweichungen, bei den übrigen Instituten nur geringe. Die Harmonisierung von Definitionen und Interpretationen wirkt also.
Ein weiterer Punkt, den es bei der Interpretation des Stresstests zu beachten gilt, ist, dass die neuen Eigenkapitalvorschriften erst 2018 vollständig in Kraft sein werden. Was zum Kernkapital einer Bank zählt, wird dann viel strenger definiert. Und es gibt keine nationalen Wahlrechte mehr, die von manchen Mitgliedsstaaten noch immer reichlich genutzt werden. Es wird also nicht alles, was heute als Kernkapital gilt, auch in Zukunft als solches gelten. Das Volumen beläuft sich auf 126 Mrd. Euro allein für die im Stresstest inkludierten Banken. Das ist über neu emittierte Aktien zu ersetzen. Angesichts der tristen Ertragslage eine zusätzliche Herausforderung für die Banken und für die Stabilität des Finanzmarkts.