Entgegen der ursprünglichen Bedenken war und ist die Osterweiterung der Europäischen Union eine Erfolgsgeschichte. Denn weder sind die Befürchtungen von Lohndumping und Billigkonkurrenz aus den neuen Mitgliedsstaaten eingetreten, noch haben jene recht behalten, die glaubten, die Neuen würden den Anschluss an die EU in Jahrzehnten nicht schaffen.
Die Modernisierung der Länder in Osteuropa wäre ohne massive Investitionen aus der EU nicht möglich gewesen. Sie haben letztlich den Produktivitätsschub bewirkt, der zu BIP-Wachstum und Einkommenssteigerungen führte. In den Hauptstädten, wie zum Beispiel. in Preßburg und Prag, ist das Pro-Kopf-Einkommen gemessen in Kaufkraftparitäten weit höher als der EU Durchschnitt und hat das Niveau von Wien bereits erreicht.
Zwar haben auch die neuen Mitgliedsländer unter der Finanzkrise gelitten, doch zählen sie
mittlerweile wieder zu den überdurchschnittlich wachsenden Volkswirtschaften in der EU. Sieben der zehn wachstumsstärksten EU-Länder stammen aus dem Kreis der Beitrittskandidaten von 2004. Aber auch die "alten" EU-Staaten haben profitiert. So wäre etwa Österreichs Wachstum ohne EU-Erweiterung um 0,4 Prozentpunkte pro Jahr niedriger gewesen.
Doch plötzlich geht die Angst um. Das Vorgehen von Präsident Wladimir Putin in der Ukraine zeigt deutlich, wie labil die Grenze zu Russland ist. In den baltischen Staaten, in denen es große russische Minderheiten gibt, aber auch in Polen mit seinen historischen Erfahrungen, ist man alarmiert. Russlands Vorgehen hat die geopolitischen Parameter erschüttert, das Gespenst eines neuerlichen kalten Krieges geht um. Und das hat insbesondere für die neuen Mitgliedsstaaten kurz- wie langfristig ökonomische Auswirkungen. Denn weitere Sanktionen gegenüber Russland werden zu Gegenreaktionen Russlands führen. Und Putin wird die Daumenschrauben bei den neuen Mitgliedsstaaten ansetzen. Diese sind nicht nur viel abhängiger von den Energielieferungen Russlands, sondern zahlen auch höhere Preise.
So muss Polen schon heute um ein Drittel mehr für das Gas aus Russland zahlen als Deutschland. Das ist der kurzfristige Effekt. Der langfristige Effekt ist, dass man nach den Erfahrungen in der Ukraine davon ausgehen muss, dass Russland die völkerrechtliche Integrität seiner Nachbarn nicht respektiert.
Das hat zur Folge, dass sich die Risikoeinschätzung für diese Länder ändert, mit entsprechenden negativen Konsequenzen für deren Finanzmärkte, aber auch für ausländische Direktinvestitionen. Und das würde das Erfolgsprojekt EU-Osterweiterung schwer treffen.