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Putins Geschäft mit China ist eine Warnung

Die Inszenierung des Abschlusses eines dreißigjährigen Gasliefervertrages mit China war perfekt. Russland wollte ganz offensichtlich der EU zeigen, dass es nicht von der europäischen Nachfrage abhängig sei.

Marianne Kager

Also Energieversorgung als Drohpotenzial im Ukraine-Konflikt? Die Sache ist etwas diffiziler, denn sowohl Russland als auch Europa werden noch einige Zeit voneinander abhängig sein. Europa braucht russisches Gas, Russland das Geld dafür. Der lachende Dritte ist aber in jedem Fall China. Warum?

Man muss wissen, dass dieser Vertrag mit China seit zehn Jahren verhandelt wurde, der Abschluss verzögerte sich aber wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen. Dass es zum Abschluss kam, war ein außenpolitischer Schachzug Putins, der die russische Gazprom viel Geld kostet. Statt kolportierte 400 Dollar pro 1000 Kubikmeter Erdgas, sollen es nur 350 sein, macht 1,9 Mrd. Dollar pro Jahr weniger. Um das Gas liefern zu können, müssen erst die Pipelines gebaut werden. Geschätztes Investitionsvolumen: 55 Mrd. Dollar für Russland, 20 Mrd. Dollar für China. Frühester Lieferbeginn: 2018. Die Liefermenge ist mit 38 Mrd. Kubikmeter pro Jahr zwar beachtlich, relativiert sich aber verglichen mit Russlands Lieferungen in die EU von 160 Mrd. Kubikmeter.

Also alles nur Theater? Nein, denn auch wenn die EU das russische Gas durch andere Quellen ersetzten kann, ist noch lange nicht gesagt, dass es auch die Transportkapazitäten gibt, um das Gas dorthin zu transportieren, wo es benötigt wird. So sind bisher weder die Infrastruktur und die technischen Normen des EU-Gasmarktes kompatibel, noch sind sensible Daten wie nationale Lagerbestände EU-weit verfügbar. Um ein Beispiel zu geben: Man kann derzeit nicht einfach Gas von den Flüssiggas-Terminals in Spanien über Pipelines via Frankreich und Deutschland nach Polen leiten. Denn in Frankreich wird Gas mit Gerüchen versetzt und erfüllt so nicht die Standards für den Transport in deutschen Pipelines.

Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, braucht die EU dringend einen umfassenden Notfallplan. Es muss heute bestimmt werden, wer im Falle einer Angebotskrise die notwendigen Ermächtigungen besitzt, die Zugang zu sensitiven nationalen Daten ermöglichen, um die nötigen grenzüberschreitenden Maßnahmen unverzüglich einleiten zu können. Bei Papieren der EU-Kommission allein wird es nicht bleiben können. Was man braucht, sind gut vorbereitete Institutionen, etwa eine EU-Energieagentur, die eine entsprechende Handlungsvollmacht für den Notfall hat. Denn eines ist sicher: der nächste Winter kommt bestimmt und Putin ist immer für eine Überraschung gut.