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Widerstand gegen das Freihandelsabkommen regt sich zu Recht

Das transatlantische Freihandelsabkommen regt auf. Aber noch zu wenig.

Marianne Kager

Die Knackpunkte beim transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP sind nicht - wie man vermuten könnte - die Zölle, sondern andere, nichttarifäre Handelshemmnisse und ein umfassendes Investitionsschutzabkommen.

Zu den nichttarifären Handelshemmnissen zählen technische Standards in verarbeitenden Branchen ebenso wie Umwelt- und sanitäre Standards, Quoten im Agrarhandel und Fragen des Datenschutzes. Soll das Abkommen Wachstumseffekte erzielen, müssen diese harmonisiert werden. Sind die Agrarinteressen ein politisch besonders heikles Dossier im US-Senat, so sind es in der EU genmanipuliertes Saatgut, Tierversuche und Umweltstandards. Genmanipuliertes Getreide oder Fleisch wird in der EU anders gesehen als in den USA. Eine weitere harte Nuss ist der Schutz persönlicher Daten, den die USA gern aufgeweicht sähen.

Die Angst von Umweltschützern und NGO's, dass es hier zu einer Verschlechterung europäischer Normen kommt, ist berechtigt. Denn will man eine Einigung, muss man Kompromisse machen. Aber das ist nur ein Aspekt. Mindestens ebenso große Skepsis ist gegenüber der US-amerikanischen Regulierungspraxis und Kontrolle angebracht. In Europa sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen dafür zuständig, ihre Standards sind für alle gültig, die Einhaltung wird staatlich überprüft. In den USA sind es private, gewinnorientierte Institute, und die von ihnen festgelegten Standards haben keine generelle Gültigkeit für alle Unternehmen. Darüber hinaus ist die ökonomische Abhängigkeit dieser Institute von ihren Auftraggebern ein weiterer Grund für Skepsis.

Investitionsschutzabkommen können für ausländische Unternehmen eine höhere Sicherheit und schnellere Konfliktbereinigung bringen. Früher waren solche Abkommen mit Entwicklungsländern üblich, mittlerweile gibt es sie auch zwischen den Industriestaaten. Inhalt solcher Abkommen ist auch, ausländischen Investoren zu garantieren, dass günstige rechtliche Standards für ihre Kapitalanlagen auch in Zukunft gelten. Die Klagen zeigen, wozu das führt. Der Kraftwerkbetreiber Vattenfalll klagt die deutsche Regierung wegen des Atomausstiegs auf vier Mrd. Euro Schadenersatz und Philip Morris klagt Uruguay wegen verschärfter Rauchergesetze. Entschieden wird hinter verschlossenen Türen von Schiedsstellen, nicht von Gerichten. Und klagen tun nicht die Kleinen, sondern multinationale Konzerne, "Oligopole der liberalisierten Welt". Das führt zu einer Einschränkung der Gestaltungs- und Gesetzgebungsfreiheit nationaler Staaten und ist damit demokratiepolitisch mehr als bedenklich. Und es ist ein Verlust an rechtsstaatlichen Prinzipien. Was wundert, ist, dass es nicht schon längst einen Aufschrei von Bürgern, Parlamentariern und Verfassungsrechtlern gab.