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Steueroasen: Ungerecht, schädlich und dennoch nicht auszurotten

Die Steuerpraktiken in Luxemburg sind weder neu noch einzigartig. Abstellen kann man das nur durch gemeinsame Steuerpolitik.

Marianne Kager

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker steht unter Druck. In Brüssel für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit einzutreten und zu Hause Steuerdeals mit multinationalen Unternehmen zu schließen, kommt nicht gut an. Die Empörung darüber ist aber scheinheilig. Denn dass Luxemburg eine Steueroase ist, ist seit Jahrzehnten bekannt. Und Juncker, 19 Jahre Ministerpräsident und Finanzminister dieses Landes, hat das zu verantworten.

Doch Luxemburg ist nicht die einzige Steueroase, es gibt sie von A wie Andorra bis Z wie Zypern, dazwischen Bermudas, Großbritannien (inklusive Kanalinseln), Irland, Niederlande und selbst die USA (z.B. die Bundesstaaten Delaware, Florida) um nur einige zu nennen. Da haben viele Politiker, wie man so salopp sagt, "Dreck am Stecken". Europäische Multis verschieben ihre Gewinne in eigens dafür gegründete Unternehmen vornehmlich in die Karibik und die USA, die US-Multis nach Europa und in die Karibik usw. Damit entgehen den "Heimat"-Staaten nicht nur Billionen Dollar oder Euro an Steuern, sondern die Steuerlast liegt immer mehr auf den Schultern der "Kleinen". So gibt Google an, für seine "Auslandsgewinne" in den vergangenen Jahren lediglich 2,8 Prozent an Steuern bezahlt zu haben.

Steueroasen erodieren mittlerweile das Steueraufkommen vieler Länder. Ein Grund dafür ist einerseits die enorme Globalisierung und Liberalisierung der Wirtschaft und des Kapitalverkehrs und andererseits nach wie vor nationale Steuervorschriften. Und dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Steuersätze.

Was vor allem fehlt, ist die internationale Etablierung des Prinzips, dass Gewinne in dem Land zu besteuern sind, in welchem sie wirtschaftlich entstanden sind. Gleichzeitig wären auch einheitliche Regeln festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Tantiemen, Lizenzgebühren, Forschungsausgaben, Kreditzinsen und Transferpreise innerhalb eines Unternehmensverbandes steuerlich anerkannt werden. Und schließlich wäre zu regeln, welche Transparenzvorschriften multinationale Unternehmen hinsichtlich Ertrag und Steuerleistung ihrer Auslandstöchter zu erfüllen haben.

Warum hat die Politik es bisher verabsäumt hier brauchbare Regeln zu entwickeln? Die Liberalisierungs- und Deregulierungseuphorie der vergangenen zwanzig Jahre hat dazu geführt, dass "Steuerwettbewerb" für so manchen Politiker durchaus attraktiv war. Denn Politiker sind auch Getriebene. Die Verlockung ist groß durch Steuerdeals mit ausländischen Multis zumindest ein wenig zu profitieren, wissend, dass es andere tun werden, wenn man es nicht selbst tut. Das gilt weltweit und auch für die EU. Hier verhindert der Egoismus der Mitgliedsstaaten nach wie vor ein einheitliches Vorgehen in Steuerfragen. Man kann nur hoffen, dass das Diktat der leeren Kassen und der zunehmende Unmut der Zivilgesellschaft wirkt und die Politiker erkennen, dass der gemeinsame und der eigene Schaden, der durch aggressiven Steuerwettbewerb entsteht, den Vorteil aus diesem "Steuerwettbewerb" weit übertrifft.